André griff die Dame und legte sie auf den Tisch. René mit seiner Latte fummelte herum und wußte nicht, was er tun sollte. Die Dame lag auf dem Tisch, und René war perplex. Los, sagte André, bedien sie, worauf wartest du noch? René sah die Dame an, dachte an seine Latte, aber er konnte die Dame nicht bedienen. Die Dame ist dick, sagte André, kannst du sie nun bedienen oder nicht? René mußte beifahren, es blieb ihm nichts anderes übrig. Ich kann nicht, sagte er, ich habe kalte Füße. ...
Jean brachte seinen roten Buben raus und strahlte übers ganze Gesicht. Meine Herren, sagte er, da könnt ihr euch ranhalten. René sah den roten Buben an. Mensch, dachte er, hättest du so einen roten Buben, dann wär alles gemacht. Du sitzt da mit deiner Latte und kannst nicht mit. Scheiße, dachte er, eine Latte wie nie, die Dame im Kindbett, du mußt stillhalten, und Jean bringt den roten Buben raus. André nickte und zog blank. ...
André schob seinem Bruder die Dame hin. Jeans roter Bube fiel über sie
her. Ich steche sie, sagte er, und sein Knöchel krachte auf den Tisch.
René blieb auf seiner Latte sitzen. Er hatte kalte Füße und mußte stillhalten.
Nie hast du eine solche Latte gehabt, dachte er, und ausgerechnet jetzt
ist die Dame dick und du kannst sie nicht bedienen. Jean hatte gestoßen.
Sein Stoß hatte gesessen, und Renés Latte wurde noch länger. ...
Vor dem letzten Gang mußte auch Jean passen. Er hatte nichts mehr drin,
und er sagte: Tut mir leid. Aber als er die Dame
sah, kam wieder Leben in seinen Buben. Ich schiebe, sagte er. Ich schiebe
mit, sagte André, und René war nun wirklich am Ende. Ich mit meiner Latte,
dachte er, und die beiden andern schieben?. Es ging zehnmal rund. Jean
und André keuchten vor Wonne, und René blieb wieder auf seiner langen Latte
sitzen. Den letzten kassierte André. Jean schlug sich auf den Schenkel.
Ich bin Jungfrau, sagte er. Das ist doch nicht möglich, sagte René. Mach,
was du willst, sagte Jean, ich bin Jungfrau.
Nicht möglich, daß du Jungfrau bist, sagte René. Jean drehte die Dame um
und sagte: Schau her, schau genau her, siehst du, die Dame
ist gedrückt. - Aus: Ludwig Harig, Sprechstunden für die deutsch-französische
Verständigung und die Mitglieder des gemeinsamen Marktes, ein
Familie
nroman.
- München 1974 (dtv sr 125 , zuerst Hanser 1971)
Skatspiel (2) Ich fühlte mich wohl unter der Tischplatte,
im Windschatten des herabhängenden Tischtuches. Leichthin trommelnd begegnete
ich den über mir Karten dreschenden Fäusten, ordnete mich dem Verlauf der Spiele
unter und meldete mir nach einer knappen Stunde Skat: Jan Bronski verlor. Er
hatte gute Karten, verlor aber trotzdem. Kein Wunder, da er nicht aufpaßte.
Hatte ganz andere Dinge im Kopf als seinen Karo ohne Zweien. Hatte sich gleich
zu Anfang des Spiels, noch mit seiner Tante redend, die kleine Orgie von vorher
banalisierend, den schwarzen Halbschuh vom linken Fuß gestreift und mit graubesocktem
linken Fuß am meinem Kopf vorbei das Knie meiner Mama, die ihm gegenüber saß,
gesucht und auch gefunden. Kaum berührt, rückte Mama näher an den Tisch heran,
so daß Jan, der gerade von Matzerath gereizt wurde und bei dreiunddreißig paßte,
den Saum ihres Kleides lüpfend erst mit der Fußspitze, dann mit dem ganzen gefüllten
Socken, der allerdings vom selben Tage und beinah frisch war, zwischen ihren
Schenkeln wandern konnte. Alle Bewunderung für meine Mama, die trotz dieser
wollenen Belästigung unter der Tischplatte oben auf strammem Tischtuch die gewagtesten
Spiele, darunter einen Kreuz ohne Viern, sicher und von humorigster Rede begleitet,
gewann, während Jan mehrere Spiele, die selbst Oskar mit schlafwandlerischer
Sicherheit nach Hause gebracht hätte, unten immer forscher werdend, oben verlor.
- Günter Grass, Die Blechtrommel. Frankfurt am Main 1965 (zuerst 1958)
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