elbständigkeit
Eigentlich hieß er Mohrchen, aber er hörte auch (oder hörte nicht)
auf die vielen anderen Namen, mit denen er gerufen
wurde: Moritz oder, wie Wolfgang Goetz ihn genannt hatte, Mohrüpel und als besonders
zärtlichen Namen Möhrlein oder Möhrke. Er kam sowieso nicht, wenn man ihn rief,
sondern gehörte zu den Hunden, zu denen man sagen mußte: „Entweder du kommst
sofort hierher oder du bleibst da", wenn man sich nicht blamieren wollte.
Ich habe es immer gern gehabt, wenn Tiere sich ihre Selbständigkeit erhalten
haben. Mohrchen hatte entschieden Charakter. Er konnte sich nicht gerade einer
reinen Rasse rühmen, am nächsten kam er einem Spitz, einem sogenannten Wolfsspitz.
Sein Fell war schwarz und glänzend und auf dem Rücken etwas lockig, als trüge
er eine Dauerwelle. Kehle und Pfoten waren von lichtem Braun. Seine Augen erinnerten
an Affenaugen. Zuweilen lachte er wirklich. Meist
aber war er ernst und würdig. - Cläre Jung, Paradiesvögel. Erinnerungen.
Hamburg (ca.) 1980
Selbständigkeit (2) Ein Mensch,
der alles nur nach seiner Erfahrung einschätzen würde, der über nichts urteilen
würde, was er nicht gesehen und erlebt hat, der sich nur selbständig entschiede,
der sich ausschließlich aus den Tatsachen geschöpfte, vorläufige und begründete
Meinungen erlaubte, der bei jedem Gedanken, der ihm käme, gleich hinzusetzte,
er habe ihn selber erzeugt oder gelesen oder gehört (der eine sei zufälliger
und unbekannter Herkunft, der andere nur ein Echo); und was er irgend denke
oder verstehe, sei alles nur durch Zufall oder Widerhall vermittelt, — der wäre
wohl der ehrlichste, selbständigste und wahrhaftigste Mensch auf Erden. Doch
seine Reinheit würde ihn hindern sich mitzuteilen,
und seine Wahrhaftigkeit verurteilte ihn zum Nichtsein. - (
pval
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