ummer   Das blutjunge Mädchen hatte blondes, lockiges Haar imd eine rosige Haut wie ein Baby oder ein Bauernkind, und sie hatte auch den gleichen unschuldsvollen Blick.

»Kann ich anfangen?« fragte sie.

Die Musiker waren  noch nicht da, und auch die Scheinwerfer waren noch nicht eingeschaltet. Fred hatte nur noch eine weitere Lampe in der Nähe der Tanzfläche angeknipst. Er begann zu trällern und schlug dabei mit der Hand den Takt, nach dem Arlette immer ihre Entkleidungsszene vorgeführt hatte. Rosa begrüßte Maigret und erklärte dann dem Mädchen durch ein Zeichen, was es tun sollte.

Linkisch machte sie einige Bewegungen, die wie Tanzschritte aussehen sollten, wobei sie sich soviel wie möglich wand und dann begann sie langsam, wie man es ihr gezeigt hatte, das lange, enganliegende, für ihre Figur abgeänderte schwarze Kleid zu öffnen.

Der Blick, mit dem Fred den Kommissar ansah, sprach Bände. Sie lachten beide nicht, sondern bemuhten sich sogar ein Lächeln zu unterdrücken. Erst fiel das Kleid von den Schultern, und dann von der Brust, die sich in ihrer Nacktheit in dieser Probe besonders seltsam ausnahm.

Rosa gab ihr mit der Hand einen Wink, einen Augenblick in dieser Stellung zu verharren, und das Mädchen blickte mit ängstlich starren Augen unverwandt auf diese Hand.

»So, und nun einmal ganz herum um die Fläche«, kommandierte Fred, der sofort wieder zu trällern begaam. »Nicht so schnell... Tra... la... la ... I»... Gut.« Wieder winkte Rosas Hand, was bedeutete: nun die andere Brust.

Und immer weiter glitt das Kleid herunter. Jetzt sah man schon den entblößten Nabel, und dann ließ das Mädchen mit einer unbeholfenen Bewegung das Kleid ganz fallen und stand splitternackt mitten auf der Tanzfläche, wobei es sich schamhaft die Hände vor den Schoß hielt.

»Na, ja, für heute geht's«, seufzte Fred.  - Georges Simenon, Maigret und die Tänzerin Arlette. München 1972 (Heyne Simenon-Kriminalromane 4, zuerst 1950)

Nummer (2) »Sie werden gleich sehen, wie sie sich befriedigt.«

Er zuckte zusammen und blickte Irène, die das sagte, als handelte es sich um das Natürlichste von der Welt, betroffen an.

»Ich behaupte nicht, daß es ihr Genuß bereitet. Es ist schließlich ihre Nummer...«

Das stimmte.

Die Atmosphäre wurde schwüler, das Schweigen beklommener, was ein paar Kontrabaßakkorde noch fühlbarer machten. Das gehörte zu dem Kult.

Alexa hatte den Kopf zurückgeworfen, ihre halbgeöffneten. Lippen verzerrten sich. Ihr Körper wand sich unter den Krallen einer schmerzenden Lust.

Er wollte etwas sagen, aber Irène machte ihm ein Zeichen, zu schweigen. Selbst die Stammgäste an der Bar hatten ihre leisen Gespräche unterbrochen. Alle starrten gebannt auf das Mädchen, warteten auf den Orgasmus.

Es mochte Kitsch, billiges Theater sein, aber er war trotzdem weit, weit weg von seinem schlichten anständigen Leben. Wenn er Blanche plötzlich vor sich gesehen hätte oder seinen Sohn Alain, hätte er wahrscheinlich keinen Blick für sie gehabt.

Irènes Hand verkrampfte sich auf seiner Schulter, und er empfand das nicht als peinlich. Bohrte sie ihm nicht aus Erregung die Nägel in die Haut? Er spürte es kaum.

Ein letztes Zucken, und Alexa sprang auf. Dann zog sie, während erleichterte Bravorufe ertönten, ihren schwarzen Pelz aus und schwang ihn, als Dank für den Beifall, wie eine Fahne über ihrem Kopf. - Georges Simenon, Der Umzug. München 1971 (Simenon-Romane  117, zuerst 1957)

Nummer (3)  »Was kommt jetzt?«

»Dein Auftritt.«

Die Pistole weist den Weg zum jetzt dunklen Raum mit der Drehscheibe. Dort kann niemand die Kassa vermuten. Der Besucher scheint allerdings schon hier gewesen zu sein. Zumindest findet er ohne Umwege die Lichtschalter und den Verstärker mit Recorder. Maderna steigt auf die Scheibe, auf der ein Teppich (Qualität Wimbledon plus) klebt. Aus zwei Lautsprechern gurrt Amanda Lear. Die rot und blau gefärbten Lampen auf der Orgelleiste zucken zaghaft mit.

»Los«, sagt der Mann mit der Pistole, wirft die Tür von außen zu und sperrt ab.

Maderna versteht auch diese Aufforderung, als sich die Scheibe zu drehen beginnt. Er zieht die Jacke aus, dann das gestreifte Hemd. Bevor er weitermacht und womöglich das Gleichgewicht verliert, setzt er sich hin. Der Gast hat inzwischen das Mikrophon gefunden und bestätigt Maderna fröhlich, daß er auf dem richtigen Weg ist. Maderna zieht die Leder-Slipper aus, schiebt die gebügelte Hose nach unten und rollt die Frotteesocken ab. Hat der Mann die Löcher an den Fersen gesehen? Das folgende Zögern wird sofort mit heftigem Klopfen gegen eine der Scheiben der Kabinen beantwortet.

In welcher Kabine kann der Gast jetzt sein? Wer ist es? Ein gekränkter Freund eines der Mädchen, der ihm einen unoriginellen Denkzettel verpassen will? Dabei hat sich Maderna (mit einer Ausnahme) noch nie am Personal vergriffen. Der jetzt endgültig nackte Maderna, der die Arme vor den Trinkerflecken auf seiner Brust verschränkt, ist dem Besucher nicht genug.

»Bewegung!«

Kurt Maderna, der diese Seite der Show noch nicht kennt, kniet sich hin und bewegt seinen hängenden Bauch und seinen weißen Hintern im Takt. Amanda Lear ist inzwischen von Tina Turner abgelöst worden: l'm Your Private Dancer. Dann: What You See Is What You Got. Im Kopf ist Maderna schon wieder gefaßt, kann sich sogar über die Szene amüsieren. Soll das stundenlang so weitergehen? Mit dem letzten Ton taucht der Mann mit der Pistole noch einmal in der Tür auf. Die Skihaube hat er abgenommen.

»Noch nicht zufrieden?«

»Nein.«

Maderna hat den Mann, der da mit kleinem Grinsen im weißen Gesicht dreimal auf ihn schießt, schon einmal gesehen, aber er weiß nicht, wen er davon noch verständigen könnte.  - Helmut Zenker, Die Mann im Mond. Wien 1990

Nummer (4)  »Du könntest endlich machen, was ich will.«

»Verstanden. Ich lege dir 500 Schilling her und steige zu dir ins Bett.«

»Noch lieber ist mir, du legst 500 Schilling her und gehst nach Hause.«

»Keine Brieftasche mit«, lügt Bittner.

»Von Polizisten nehme ich auch Kreditkarten. Kostenlose Nummern gibt's bei mir aber auch.«

»Für wen?«

»Für dich«, gurrt sie, »wenn du die Absicht hast, eine lebende Legende zu werden.«

»Jetzt?«

»Sofort. Vor dem Hotel.« - Helmut Zenker, Die Mann im Mond. Wien 1990

Nummer (5)  »Töten!« quiekte Gagool.

»Töten!« plärrte Scragga mit einem hohlen Kichern nach.

Schneller fast, als die Worte gefallen waren, war die Schreckenstat vollbracht. Der eine hatte seinen Speer dem Opfer ins Herz gestoßen, und um doppelt sicherzugeh'en, schlug ihm der andere mit der großen Keule die Hirnschaleein.

»Eins,«  zählte Twala, der König, wie eine schwarze Madame Defarge, wie Good sagte. Der Leichnam wurde ein paar Schritte weggeschleift und liegengelassen.

Kaum war diese erste Hinrichtung vorbei, wurde ein anderer armer Teufel herbeigeschleppt, wie ein Ochse zum Schlachter. Auf Grund des Leopardenfells konnten wir sehen, daß der Mann eine Persönlichkeit von Rang war. Wieder wurden die entsetzlichen Silben gesprochen, und das Opfer brach tot zusammen.

»Zwei«, zählte der König.

Und so ging das tödliche Spiel weiter, bis etwa hundert Leichen hinter uns in Reihen ausgestreckt lagen.  - Henry Rider Haggard, König Salomons Schatzkammer. Zürich 1982  (zuerst 1885)

Nummer (6)  

- Eric Stanton, New Adventures of Baroness Steel

 

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