Numismatiker  Er steckte sich seinen kleinen Finger ins Ohr und bohrte drin herum und holte ihn, mit einem Stückchen Schmalz dran, heraus. Er wischte ihn, ohne drauf zu achten, an seinem Sakko ab.

»Und Sie schließen all das aus der bloßen Tatsache, daß ich Mrs. Murdock angerufen und gefragt habe, ob ihre Brasher-Dublone zu verkaufen sei?«

»Ja. Sie hat denselben Gedanken gehabt. Er ist naheliegend. Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, Sie mußten wissen, daß die Münze unverkäuflich ist. Wenn Sie überhaupt etwas von Ihrem Geschäft verstehen. Und ich sehe, Sie verstehen eine Menge davon.«

Er deutete eine Verbeugung an. Er lächelte nicht gerade, aber er sah so erfreut aus, wie ein Mann erfreut aussehen kann, der einen Hooverkragen trägt.

»Nehmen wir an, Sie bekämen diese Münze zum Verkauf angeboten«, sagte ich, »unter verdächtigen Umständen. Sie würden sie gern kaufen, wenn Sie sie billig bekämen und das Geld dafür zur Verfügung hätten. Aber Sie würden wissen wollen, woher sie kommt. Und selbst wenn Sie ziemlich sicher wären, daß sie gestohlen wäre, könnten Sie sie immer noch kaufen, wenn Sie sie billig genug bekämen.«

»Oh. Könnte ich, könnte ich?« Er sah erheitert aus, aber nicht allzu sehr.

»Natürlich könnten Sie - wenn Sie ein Händler von gutem Ruf sind. Ich will annehmen, Sie sind es. Indem Sie die Münze kaufen - billig kaufen -, bewahren Sie den Besitzer oder seine Versicherung vor dem völligen Verlust. Das kommt ständig vor.«

»Die Murdock-Brasher ist also gestohlen worden«, sagte er plötzlich.

»Ich habe nichts gesagt«, sagte ich. »Es ist ein Geheimnis.«

Diesmal bohrte er in der Nase. Er fand aber nichts. Statt dessen riß er sich ein Haar aus einem seiner Nasenlöcher, mit einem plötzlichen Ruck. Er verzog das Gesicht. Er hielt es in die Höhe und sah es sich an. Schließlich sah er mich an und sagte:

»Und wieviel will Ihr Auftraggeber für die Rückgabe der Münze bezahlen?«

Ich lehnte mich über den Schreibtisch und machte mein verruchtestes Gesicht. »Einen Tausender. Was haben Sie bezahlt?«

»Ich glaube, Sie sind ein äußerst durchtriebener junger Mann«, sagte er. Dann drehte er sein Gesicht hoch und sein Kinn zitterte und sein Brustkasten fing an, auf und ab zu hüpfen, und ein Laut kam aus ihm heraus, der wie das Krähen eines Hahnes klang, der es nach einer langen Krankheit zum ersten Mal wieder versucht.

Er lachte.

Nach einiger Zeit hörte er auf damit. Sein Gesicht wurde wieder völlig glatt, und seine Augen waren offen, schwarz und wach und gefährlich.   - Raymond Chandler, Das hohe Fenster. Zürich 1975 (zuerst 1942)

 

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