Nonnensuppe Wer suppe ißt, muß dafür bezahlen: eine nonne ißt eine suppe aus stierhoden, wird lüstern und schwanger.

Der fluß rauscht an der wehr, wassermänner beschwimmen wasserfrauen, eine kätzin schleicht unter nassen, weißen rosen.

Wer suppe ißt, muß dafür bezahlen: man zahlt mit banknoten, münzen, tauschartikeln, haut und haar, gut und blut.

Ein chirurg biegt um die ecke, er hat suppe gegessen.

Zwei störche haben die ehe beschlossen, ein nest wird gerichtet: der storch beschwingt die nasse, weiße störchin.

Der chirurg mit der scharfen kleinen säge ist der intelligente sohn einer entweihten nonne, er bezahlt die suppe wie jeder andere.

Rindsuppe, ein evangelium aus mancherlei zutaten: der koch dosiert seine salze, seine pfeffer, seine muskatpartikelchen, seine petersilienatome.

Der chirurg versorgt klaffende wunden und löffelt dezent seine rindsuppe: nasse, weiße rosen haben dornen, ärzte haben glänzende löffel und sägen.

Der topf läßt feine heiße dämpfe, der koch lächelt wie durch morgennebel. Hühner durchgackern den regen, oh, und der hahn folgt ihnen mit öliger eleganz.

Auf der bank vor dem haus liegt ein aufgeschlagenes buch; technicolor: Paget-erkrankung mit weitgehender sklerosierung der rinde.

Der walnußbaum, das warmduftende muhen im kuhstall, die lüsterne nonne naß und weiß wie eine störchin im regen in einem lila nest aus wiesenschaumkraut.

Nasses, heißes suppengrün bleibt im sieb zurück oder wird passiert - die petersilie; die möhre, die sellerie.

Das medizinische buch ist vom sommerregen durchnäßt, aber nicht eben direkt unbrauchbar - der chirurg hat seiner schülerin nicht auf die finger gesehen.

Das kino liegt unweit des dorfes der sommerfrischler, der fluß nicht dazwischen - ein angeschwollener wasserarm, gespeist von hunderten von adern der nahen bergzüge.

Das neugeborene kind der entflohenen nonne liegt auf weißem linnen, licht fällt durch das halbgeöffnete fenster, das licht des tages nach tagen der wolkenbrüche und der agonien. Suppe ißt der chirurg diesmal im hellen speisesaal des hospitals - ein klinischer anblick.

Die störchin hat ihr drittes ei gelegt, der storch hat ein exemplar der arctium lappa im gefieder, es wird jedoch bald abfallen . . . - H. C. Artmann, Aquarium mit Hühnern, in: H. C. A., Unter der Bedeckung eines Hutes. Montagen und Sequenzen. Frankfurt am Main 1976

Nonne

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