enschen-Aquarium Die
ganze Fauna der Phantasie samt ihrer Meeresvegetation, stirbt dahin wie ein
nächtlicher Kometenschweif und lebt fort in den schlecht beleuchteten Bereichen
menschlicher Tätigkeit. Dort tauchen die großen geistigen Leuchttürme auf, die
in ihrem Aussehen an weniger reine Zeichen gemahnen. Eine menschliche Schwäche
stößt die Tür zum Geheimnis auf und schon befinden wir uns in den Reichen des
Schattens. Ein Stolpern, ein Stottern verraten das Denken eines Menschen. Im
Dämmer der Orte gibt es solche Türen
zum Unendlichen, die schlecht schließen. Dort, wo die Lebenden ihrer höchst
zweifelhaften Tätigkeit nachgehen, nimmt das Unbeseelte manchmal einen Abglanz
ihrer geheimsten Beweggründe an: unsere Städte sind so von unerkannten Sphinxen
bevölkert, die den nachdenklichen Passanten so lange nicht anhalten, als er
seine schweifenden Gedanken nicht auf sie richtet. Sie geben ihm keine todbringenden
Rätsel auf. Doch wenn er, dieser Weise, sie zu lösen versteht, so möge er sie
ruhig befragen, es sind immer nur seine eigenen Abgründe, die er dank dieser
ungestalten Ungeheuer neu auslotet. Das Licht, das das Ungewöhnliche heute erhellt,
aber wird ihn fortan davon abhalten. Dieses Licht herrscht seltsamerweise in
jenen gedeckten Galerien, von denen es in Paris in der Gegend der Grands
Boulevards mehrere gibt und die man irrigerweise Passagen
nennt, als wäre es in diesen des Tageslichts beraubten Gängen niemandem gestattet,
länger als einen Augenblick zu verweilen. Ihr Meergrün, irgendwie abgrundtief,
hat etwas von der aufblitzenden Helle, wenn man einen Rock
hochhebt und ein Bein entblößt wird. Das große
Bestreben der Amerikaner, von einem Präfekten des zweiten Kaiserreichs in die
Hauptstadt importiert, den Plan von Paris nach Meßband neu zuzuschneiden, wird
die Erhaltung dieser Menschen-Aquarien bald unmöglich machen. Zwar ist ihr ursprüngliches
Leben aus ihnen schon gewichen, doch verdienen sie es immerhin, als Asyle für
mehrere moderne Mythen betrachtet zu werden; denn erst
heute, da die Spitzhacke sie bedroht, sind sie faktisch geweihte Stätten eines
Kults der Vergänglichkeit geworden, gespenstische Kulissen für verruchte Vergnügen
und Gewerbe, die gestern ganz undenkbar waren und von denen schon morgen keiner
mehr weiß. - (ara)
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