orbeer

 Lysistratas Hand

 - Aubrey Beardsley

Lorbeer (2)  Dort weht der Atem des Lebens, sagst Du mir, wenn Du von Paris redest. Ich finde, daß er oft nach verfaulten Zähnen riecht, Dein Atem des Lebens. Für mich steigen von dem Parnaß, zu dem Du mich einlädst, mehr Miasmen auf als Taumel. Die Lorbeeren, die man sich dort entreißt, sind, das wirst Du zugeben, ein wenig mit Scheiße bedeckt. - Flaubert an Maxime du Camp, nach (flb)

Lorbeer (3)  Zu jener Zeit wurden jeden Tag Literaturpreise verliehen. Tausende von Gesellschaften waren zu diesem Zwecke gegründet worden, und ihre Mitglieder lebten reichlich davon, daß sie sich, an einem bestimmten Datum, den Dichtern gegenüber freigebig zeigten. Doch der 26. Januar war der Tag, an dem die größten Gesellschaften, Vereine, Verwaltungsräte, Akademien, Komitees, Jurys und so weiter und so fort aus der ganzen Welt den Preis verliehen, den sie gestiftet hatten. An diesem Tage verlieh man 8019 Preise, deren Betrag eine Summe von 50 Millionen 3225 Frs 75 ausmachte. Hinwiederum hatte sich der Sinn für die Dichtkunst in keiner Klasse irgendeines Landes ausgebreitet; die öffentliche Meinung war sehr gegen die Dichter eingenommen, die man faul, unnütz und so weiter nannte. Der 26. Januar des besagten Jahres verlief ohne besondere Vorfälle, aber am nächsten Tag enthielt die große Zeitung La Voix, die in Adelaide (Australien) erschien, einen Artikel des gelehrten Agrarchemikers Horace Tograth (einem in Leipzig geborenen Deutschen), dessen Entdeckungen und Erfindungen nicht selten beinahe wie ein Wunder erschienen waren. Der Artikel mit der Überschrift Der Lorbeer enthielt eine Art Geschichte der Kultur des Lorbeers in Judäa, in Griechenland, in Italien, in Afrika und in der Provence. Der Autor erteilte denen Ratschläge, die Lorbeerbäume in ihren Gärten hatten. Er gab Hinweise auf die verschiedenen Verwendungsarten des Lorbeers, in der Küche, in der Kunst und in der Literatur, und seine Rolle als Symbol des dichterischen Ruhmes. Er kam auf die Mythologie zu sprechen, machte Anspielungen auf Apollo und die Sage von Daphne. Gegen Ende wechselte Horace Tograth plötzlich die Tonart und beschloß folgendermaßen seinen Artikel:

»Und dann, ich sage es allen Ernstes, ist dieser unnütze Baum noch viel zu verbreitet; und wir haben weniger berühmte Symbole, denen die Völker die berühmte Würze des Lorbeers zuschreiben. Die Lorbeerbäume nehmen viel zuviel Platz ein auf unserer überbevölkerten Erde, die Lorbeerbäume sind unwürdig, weiterzuleben. Jeder von ihnen nimmt zwei Menschen die Sonne weg. Ich bin dafür, die Lorbeerbäume niederzuhauen und ihre Blätter wie Gift zu fürchten. Bis vor kurzem noch das Symbol der Poesie und der Literaturwissenschaft, sind sie heute nur das Symbol für jenen totgeborenen RuhmL der für den Ruhm das ist, was der Tod für das Leben ist, was die Hand des Gehenkten1 für den Schlüssel bedeutet.

Der wahre Ruhm hat die Dichtung zugunsten der Wissenschaft, der Philosophie, der Akrobatik, der Philantropie, der Soziologie und so weiter verlassen ... Die Dichter taugen heutzutage nur noch dazu, Geld in Empfang zu nehmen, das sie nicht verdienen, denn sie arbeiten kaum, und die Mehrzahl unter ihnen (ausgenommen die Chansonniers und einige andere) hat keinerlei Talent und deshalb keinerlei Entschuldigung. Was die anbetrifft, die etwas Begabung haben, so sind sie noch schädlicher, denn wenn sie auch kein Geld bekommen, so macht doch jeder von ihnen mehr Krach als ein ganzes Regiment; und sie heulen uns die Ohren voll, daß sie verteufelt würden. All diese Leute haben überhaupt kein Lebensrecht. Die Preise, die man ihnen zuerkennt, sind den Arbeitern gestohlen worden, den Erfindern, den Gelehrten, den Philosophen, den Akrobaten, den Phiiantropen, den Soziologen und so weiter. Die Dichter haben zu verschwinden.

1 Frz. »main de gloire«, vertrocknete Hand eines Gehenkten, die dazu benutzt wird, um u. a. Schätze zu entdecken (A.d.Ü).

- Guillaume Apollinaire, Der gemordete Dichter. O. O. 1985

 

Pflanze Sieg Ruhm

 

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Synonyme
Hand, weibliche