inkshänder
Ich versuchte es bei Wörsching, und er hatte so eine Polaroid-Kamera,
und nach 10 Minuten hatte ich 2 Bilder. Ich merkte, ich habe auch so ein
Männergesicht. Da schoß es mir in den Kopf, was ich nicht sein wollte: ein Mann!
Da kam es mir, daß ich bin, was sie Künstler nennen. Mein Vater, Zahnarzt, grazil,
mit schwachem Bartwuchs, biegsamer, etwas hoher Stimme. Gewählte Kleidung. Schwätzt
gern, ist witzig, neugierig und harmlos. Künstlerisch nicht unbegabt. Sein Klavierspiel
mußte er aufgeben, weil sich dabei leicht ein Krampf in der rechten Hand einstellte.
Bevorzugt die linke Hand beim Arbeiten, die auch ausgebildeter als die rechte
ist. Sein Vater war Kaufmann, keine Spur von Bart, mädchenhafter Teint, sehr
eitel, begabt, musikalisch. Völliger Linkshänder. Dessen Vater ein Hauptmann
mit entschieden femininem Eindruck. Bart und Behaarung schwach, Stimme überraschend
hoch. Bein und Fuß links erheblich stärker als rechts, auch die linke Hand größer
als die rechte. Sich mit der Linken rasiert. Begeistert für Wissenschaft und
Künste. Ein Onkel Schaffner, mit kleinen, feinen Händen und kleinen Füßen. Sehr
empfindsam, kann niemand weinen sehen, trinkt und raucht nicht. Vollkommener
Linkshänder. Ein Verwandter Straßenkehrer, unentwickelt mit weiblichem Aussehen,
sehr schwachem Bart. Linkshänder. Auch seine Tochter ist völlig links. Da war
doch auch ein Oberlehrer, ein willensschwacher Oberlehrer mit weichen Zügen,
ein Pantoffelheld, der links knöpfte und beim -Hanteln größere Ausdauer der
linken Hand zeigte. Und einen Vorbestraften hab ich in der Verwandtschaft mit
anormalen Genitalien, sehr zartem Körper, unbehaart, schwachem Schnurrbärtchen,
weich im Wesen, weinerlich mit Neigung zur Malerei und Musik, mit der linken
Hand besonders geschickt, knöpft links. Und meine Mutter ist eine Sechzigerin
von imposanter Gestalt, tiefer Stimme, .Sportlehrerin, allergrößter Energie
und Entschlußfähigkeit, sehr tatkräftig und selbstständig. Kleinen Schnurrbart.
Spielt links Tennis. Besitzt guten Geschmack. Hat mutigen Charakter, Unternehmungsgeist
und Tatkraft, und mehr, bei ihr kommt mir die Aufzählung durcheinander. Sie
sorgte für die ganze Familie. Malt gern. Das fiel mir so ein, während die Fotografie
trocknete und ich der Verkäuferin zusah, eine Französin, die gerade Fotokopien
machte, vom Chef wahrscheinlich aus Frankreich geholt, den Umsatz zu steigern;
ich war auch angetan und bedauerte nichts zum Kopiern bei mir zu haben.
-
Herbert Achternbusch, L'État c'est moi. Frankfurt am Main 1972
Linkshänder
(2) Er war von annehmbarer Gestalt und Wuchs,
obgleich er einen großen Mangel hatte: er war ein Linkshänder, wollte aber als
ein Rechtshänder erscheinen. Obgleich ein Linkshänder sehr häßlich ist, halte
ich jemanden, der seinen natürlichen Mangel verhehlt oder verhehlen möchte,
für häßlicher, weil so etwas für Doppelzüngigkeit und Verstellung im innersten
Wesen spricht; und obgleich man diese Art von Menschen an diesem Mangel ebenso
erkennt wie die Eunuchen am fehlenden Bart, möchten sie uns ebenso überzeugen,
daß sie's nicht sind, wie jene, daß sie noch zu jung sind, einen Bart zu haben,
und gerade dadurch, daß die einen wie die anderen es verleugnen oder verhehlen
wollen, lassen sie erkennen, ein wie großer Fehler es ist, denn sie verleugnen
ihn. - Vicente Espinel, Das Leben des Schildknappen Marcos von Obrégon. In: Spanische Schelmenromane, Hd. Horst Baader.
München 1965
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