urzschluß
Jede Vorstellung, die man ihm eingibt, hat die Strebung für sein Bewußtsein
sofort „Wirklichkeit" zu werden; eben darum ist er vollkommen außerstande,
abstrakte, d, k, unbildliche Vorstellungen festzuhalten. Man könnte in dieser
Hinsicht sagen, daß sein Verstand weit schlechter entwickelt ist, als seine
Vernunft. Dieser „Kurzschluß" zwischen Vorstellung
und Wirklichkeit ist bei Haarmann
so unmittelbar, daß, wenn er z. B. vom Köpfen („Geköppt werden") spricht,
er bildhaft den Gang zum Schafott und das Fallen des Fallmessers dem Besucher
vorahmt; wenn er erzählt, wie er die Leichen zerstückelte, so ahmt er mit den
Händen die Schnitte nach; steigert er sich in Sentimentales hinein („Ich will
auf dem Klagesmarkt hingerichtet werden. Auf meinem Grabe steht der Spruch:
,Hier ruht der Massenmörder Haarmann'. An meinem Geburtstage kommt Hans
und legt einen Kranz nieder"), dann kommen ihm sogleich Tränen ins Auge;
berichtet er von Geschlechtlichem, dann greift er (selbst im Gerichtssaal) automatisch
in die Geschlechtsgegend. Er ist ein Stück Natur; ohne
Logik und ohne Moral. Aber auch
ohne logische und moralische Heuchelei. -
Theodor Lessing, Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin 1925
Kurzschluß (2)
Kurzschluß (3)
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