erstückeln  In dem Fall Mahon hatte der Mann in einem Bungalow in Südengland, an der Küste, ein Mädchen getötet. Er hatte die Leiche zerschnitten und sie Stück für Stück aus dem Zug geworfen. Aber er wußte nicht, was er mit dem Kopf machen sollte. Das hat mich auf die Idee gebracht, nach dem Kopf der Frau suchen zu lassen. Patrick Mahon hatte den Kopf in den Kamin getan und ein Feuer gemacht. Dabei ist etwas passiert, was seltsam erscheinen mag, aber wirklich stimmt. Genau in dem Augenblick brach ein Gewitter los, wie in einem Theaterstück, mit Blitz und Donner. Um den Kopf im Kamin loderten die Flammen, und wahrscheinlich unterm Einfluß der Hitze haben sich die Augen geöffnet und schienen Patrick Mahon anzuschauen. Der Mann ist schreiend zum Strand gerannt, mitten im Gewitter, und hat sich erst Stunden später nachhause getraut. Bis dahin war auch das Feuer mit dem Kopf fertiggeworden. - Alfred Hitchcock, in: François Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973 (zuerst 1966)

Zerstückeln (2)  Dr. Crippen wohnte in London. Er brachte seine Frau um und zerstückelte sie. Nach einiger Zeit fiel es auf, daß die Frau verschwunden war, und wie das so üblich ist sagte der Mörder: »Sie ist auf Reisen.« Aber Dr. Crippen machte einen schwerwiegenden Fehler. Seine Sekretärin trug plötzlich Juwelen von seiner Frau, deshalb begannen die Leute zu reden. Scotland Yard nahm sich der Geschichte an, und Inspektor Dew hat Dr. Crippen verhört. Der konnte außerordentlich glaubwürdige und logische Gründe für das Verschwinden seiner Frau angeben. Sie sei nach Kalifornien gegangen. Inspektor Dew wollte die Untersuchung schon aufgeben, aber als er ein letztesmal für irgendeine Formalität in Crippens Haus zurückkam, waren der Arzt und seine Sekretärin verschwunden. Darauf wurde die Untersuchung natürlich fortgesetzt und ein Steckbrief erlassen.

Damals begann man auf Schiffen gerade, mit Sprechfunk zu arbeiten. Wir sind jetzt auf dem Dampfer Montrose, der von Antwerpen nach Montreal geht. Gestatten Sie mir, jetzt die Perspektive zu wechseln, um Ihnen die Version des Kapitäns des Schiffes zu geben. Dem Kapitän sind auf dem Schiff ein gewisser Mr. Robinson und sein Sohn aufgefallen. Ihm war auch die sehr große Zuneigung des Vaters zu seinem Sohn aufgefallen. Und da er ein Voyeur war — ich hätte ihn eigentlich in Rear Window auftreten lassen müssen —, war ihm aufgefallen, daß der in Antwerpen gekaufte Hut des jungen Robinson mit viel Papier ausgestopft war, damit er paßte. Er hatte außerdem gesehen, daß der Junge seine Hose in der Taille mit einer Sicherheitsnadel festhielt, Nach der Beschreibung auf dem Steckbrief trug Dr. Crippen ein Gebiß, und auf der Nase hatte er von seinem goldenen Brillengestell eine Druckstelle. Dem Kapitän war genau diese Einzelheit an Mr. Robinsons Nase aufgefallen. Deshalb hat er dann am Abend Mr. Robinson an seinen Tisch gebeten und ihm komische Geschichten erzählt, damit er lachte und seine Zähne zeigte. Sie waren tatsächlich falsch.

Darauf hat der Kapitän eine Meldung losgeschickt: Er nähme an, das gesuchte Paar befände sich auf seinem Schiff. Zufällig kam gerade in dem Augenblick Mr. Robinson an der Funkkabine vorbei, und als er das Radiogeräusch hörte, sagte er zum Kapitän: »Dieser Drahtfunk ist wirklich eine tolle Erfindung!« Als Inspektor Dew die Nachricht erhielt, nahm er ein besonders schnelles Schiff der kanadischen Gesellschaft Canadian Pacific und fuhr bis zu einem bestimmten Ort am Sankt-Lorenz-Strom, Pointe Father. Dort ging er an Bord der Montrose, und als er Mr. Robinson gegenüberstand, sagte er: »Guten Tag, Dr. Crippen.« Dann wurden die beiden nach England zurückgebracht. Er wurde gehängt und sie freigesprochen. - Alfred Hitchcock, in: François Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973 (zuerst 1966)

Zerstückeln (3)  Es war merkwürdig, wie dem Kommissar oft aufgefallen war, daß die Menschen nicht auf dieselbe Weise reagierten, daß sie zum Beispiel, angesichts vereinzelt aufgefundener Gliedmaßen nicht das gleiche Mitleid oder den gleichen Ekel empfanden wie bei einer ganzen Leiche. Man hätte beinahe sagen mögen, ein zerstückelter Toter sei anonymer und beinahe komisch, und es geschehe mit vollem Recht, wenn man von ihm mit einem Lächeln spreche. - Georges Simenon, Maigret und der Kopflose. München 1972 (Heyne Simenon-Kriminalromane 13, zuerst 1955)

Zerstückeln (4) »Willst du Krabben fangen?« sagte Medardo, »ich bin auf Polypen aus«; und dann ließ er mich seine Beute sehen. Es waren dicke Polypen, braune und weiße. Durch einen Säbelhieb waren sie in zwei Hälften gespalten, aber bewegten weiter ihre Fangarme. »So könnte man jedes ganze Ding halbieren«, sagte mein Onkel, während er bäuchlings auf der Klippe lag und jene zuckenden Polypenhälften streichelte, »so könnte ein jeder aus seiner stumpfsinnigen und unwissenden Ganzheit herausfinden. Ich war ganz, und alle Dinge kamen mir natürlich und verworren vor, dumm wie die Luft; ich glaubte alles zu sehen, und es war doch nur die Schale. Solltest du jemals zu einer Hälfte deiner selbst werden, und das wünsche ich dir, mein Junge, wirst du Dinge verstehen, die der Intelligenz ganzer Gehirne verschlossen bleiben. Du wirst dann die Hälfte deiner selbst und der Welt verloren haben, aber die verbliebene Hälfte wird tausendmal tiefer und kostbarer sein. Und auch du wirst wollen, daß alles zerrissen und gespalten sei nach deinem Bilde, denn Schönheit und Weisheit und Gerechtigkeit finden sich nur in der Zerstückelung.«  - (vis)

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