Für diese Welt besaß er Religion genug.
Zum Guten entschloß er sich aus Neigung oder aus Überlegung, solange jedenfalls sein Vorteil ihn nicht zum Bösen trieb, über das er, wenn er es tat, sich keiner Täuschung hingab. Das Wohl des Staates bedachte er nur für die Dauer seines eigenen Lebens; niemals jedoch hat ein Minister sich zäher bemüht, glauben zu machen, er sorge für die Zukunft vor. Endlich ist zu bekennen, daß alle seine Laster von jener Art waren, die durch eine große Laufbahn leicht zu Ruhm verhelfen, weil sie zu denen gehörten, die ohne große Tugenden nicht zum Ziele kommen. Urteilen Sie selbst: ein Mann, der so große Eigenschaften in der Tat besitzt, und von denen, die er nicht besitzt, so sehr den Anschein, hat es leicht, sich in der Welt jenes Ansehen zu sichern, das vom Haß die Verachtung zu sondern weiß und das in einem Staat, der kein Gesetz mehr kennt, diesem Mangel wenigstens für einige Zeit abhilft.
Der Kardinal Mazarin war von ganz entgegengesetztem
Charakter. Von niedriger Abkunft, verlebte er eine schmachvolle Kindheit. Am
Ausgang des Kolosseums lernte er beim Spiel zu betrügen, was ihm Stockschläge
von einem römischen Goldschmied namens Moreto eintrug. Er wurde Infanterie-Hauptmann
im Veltlin, und Bagni, sein General, hat mir erzählt, daß er während jenes Feldzugs,
der nur drei Monate dauerte, lediglich als Gauner galt. Durch die Gunst des
Kardinals Antonio [Barberini], die auf ehrlichem Wege damals nicht zu
erringen war, kam er zur Außerordentlichen Nuntiatur in Frankreich. Er machte
sich, durch seine lockeren Geschichten aus Italien, bei Chavigni beliebt,
und über diesen bei Richelieu, der ihm den Kardinalshut verschaffte; aus dem
gleichen Geist heraus, so hat man schließen müssen, der Augustus antrieb,
dem Tiberius die Nachfolge des Reiches zu überlassen. Der Purpur jedenfalls
hinderte ihn nicht daran, unter Richelieu ein Lakai zu bleiben. Nachdem ihn
die Königin, was sonst auch darüber gesagt werden mag, eben doch nur in Ermangelung
eines anderen, gewählt hatte, erschien er zunächst als die Originalfigur zu
einer Hochstaplerkomödie im Trivelintheater, Durch sein Glück verblendet, wie
alle andern mit ihm, wollte und sollte er die Rolle eines Richelieu spielen;
doch über schamlose Nachahmung kam er nicht hinaus. Ihm geriet zur Schande,
wo der andere Ehre geerntet hatte. Über die Religion
spöttelte er. Er versprach alles, da er nichts zu halten gesonnen war. Er war
weder zartfühlend noch grausam, da er für Wohltaten so wenig wie für Beleidigungen
ein Gedächtnis hatte. Er liebte sich selbst allzu sehr, was in der Natur feiger
Seelen liegt; und er achtete sich nicht genug, was zum Wesen jener gehört, denen
nichts an ihrem Rufe liegt. Da er oft Angst hatte, sah er Schlimmes mit ziemlicher
Sicherheit voraus; aber seine Vorkehrungen dagegen waren nie angemessen, weil
seine Klugheit seiner Angst nicht gleichkam. Er besaß
Witz, Überredungsgabe, ein munteres Wesen und gute Manieren; doch der üble Kern
schlug immer durch, und zwar so sehr, daß jene Qualitäten im Unglück geradezu
den Charakter des Lächerlichen erhielten, und auch im größten Glück den des
Schurkischen nicht verloren. Was keiner vor ihm fertiggebracht hatte: er trug
die Gaunerei ins Ministeramt; und dieser Gaunerhaftigkeit wegen paßte das Ministeramt,
selbst unumschränkt und mit Glück verwaltet, nicht zu ihm, und Verachtung schlich
sich ein, die gefährlichste Krankheit für einen Staat, deren Ansteckung nämlich
am raschesten vom Haupt auf alle Glieder übergreift. - (
retz
)
Kardinal (2) Die Memoiren des Kardinal Retz haben
ein hohes, in einem oder dem andern Bezug unvergleichliches literarisches Verdienst.
In der Literatur gibt es kein Werk, welches die kleinen Motive der Menschen
und ihre Gegenwirkungen gegeneinander, den Wechsel der Stimmungen und die Gründe
desselben so lebendig und treffend vergegenwärtigt wie diese Denkwürdigkeiten.
Im Altertum hat man etwas Ähnliches nicht gedacht; die neuere Zeit hat es öfter
versucht, aber noch nicht erreicht. Nur ein Mann, der sein Leben in der Benutzung
der kleinen Motive zugebracht hat, war zu einer solchen Hervorbringung fähig.
Retz setzte sich über die Rücksicht auf guten Ruf hinweg und hat doch nicht
eigentlich die Bosheit, andere absichtlich herabzuwürdigen. Wie könnte er sonst
der große Portraitmaler sein, der er ist? Seine Bildnisse haben eine Feinheit
des Pinsels und Sicherheit der Konturen, welche man nur bei den großen Meistern
findet. - Leopold von Ranke
Kardinal (3) Beruft sich der Mensch für seine
Liebe auf die Tiere, kann er viel Direkteres im Auge haben; da heißt es von
dem, der hemmungslos liebt, er benehme sich animalisch. Die Tiere müssen für
eine Sexualität herhalten, die für sie selber gar nicht gilt. Es mag einige
verwundern, wenn nicht gar schockieren, daß der Mensch kopuliert, ohne an den
Erhalt der Art zu denken, gar Mittel erfindend, die Schwängern und Empfängnis
verhüten. In der Hinsicht benehmen sich die Tiere nicht menschisch. Sie vereinen
sich ausschließlich im Dienst der Fortpflanzung. Insofern werden sie den Vatikanischen
Forderungen gerechter als viele, die im Namen der Römischen Kirche getauft wurden,
von den andern schon gar nicht zu reden. Es wäre daher nur recht und billig,
wenn Tiere im Kardinalskollegium vertreten wären. - (
loe2)
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