- Aus: Friedrich Schröder Sonnenstern, Trostlied für Aus- und Angebombte. Hg. Gerhard Jaschke. Wien 1981
Hürdenlauf (2) Wenn ein Mensch ein Verbrechen ernstlich meditirt; so hat er die Schranke der ächten reinen Moralität bereits durchbrochen: danach aber ist das Erste, was ihn aufhält, allemal der Gedanke an Justiz und Polizei. Entschlägt er sich dessen, durch die Hoffnung diesen zu entgehn; so ist die zweite Schranke, die sich ihm entgegenstellt, die Rücksicht auf seine Ehre. Kommt er nun aber auch über diese Schutzwehr hinweg; so ist sehr viel dagegen zu wetten, daß, nach Ueberwindung dieser zwei mächtigen Widerstände, jetzt noch irgend ein Religionsdogma Macht genug über ihn haben werde, um ihn von der That zurückzuhalten. Denn wen nahe und gewisse Gefahren nicht abschrecken, den werden die entfernten und bloß auf Glauben beruhenden schwerlich im Zaum halten. Ueberdies läßt sich gegen jede ganz allein aus religiösen Ueberzeugungen hervorgegangene gute Handlung noch einwenden, daß sie nicht uneigennützig gewesen, sondern aus Rücksicht auf Lohn und Strafe geschehn sei, folglich keinen rein moralischen Werth habe.
Diese Einsicht finden wir stark ausgedrückt in einem Briefe
des berühmten Großherzogs Karl August von Weimar, wo es heißt: »Baron
Weyhers fand selber, das müsse ein schlechter Kerl sein, der durch Religion
gut, und nicht von Natur dazu geneigt sei. In vino veritas [Im Wein ist
Wahrheit].« (Briefe an J. H. Merck) - Schopenhauer, Preisschrift
Über die Grundlage der Moral
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