- (
cane
)
Genugtuung (2) "Was verlangst
du von mir für eine Genugtuung?" — „Leben um Leben!"
rief der Drache. „Gut, ich will mich selber zerstückeln.
Versprichst du mir, meinen Eltern dann nichts zu tun ?" — Der
Drache war einverstanden und befahl, die Fesseln der Eltern zu lösen. Notscha
schlug sich erst einen Arm ab. Seine Mutter brach in lautes Weinen aus. Aber
es half nichts. Schon hatte er sich den Leib aufgeschlitzt, die Eingeweide
traten hervor, seine drei Geister und neun Seelen zerstreuten sich, und sein
Leben kehrte ins Jenseits zurück. - (
chm
)
Genugtuung (3) Bellodi erzählte
die Geschichte eines sizilianischen Gefängnisarztes, der sich mit Recht in den
Kopf gesetzt hatte, den der Mafia angehörenden Häftlingen das Vorrecht zu entziehen,
sich im Lazarett einzunisten. In dem Gefängnis gab es viele Kranke, sogar einige
Tuberkulöse, die in den Einzel- und Gemeinschaftszellen lagen. Währenddessen
hielten die Mafiaanführer bei bester Gesundheit das Lazarett besetzt, um in
den Genuß einer besseren Verpflegung zu kommen. Der Arzt ordnete an, sie sollten
in die regulären Abteilungen zurück, und ins Lazarett sollten die Kranken kommen.
Weder die Polizisten noch der Direktor befolgten die Anordnung des Arztes. Der
Arzt schrieb an das Ministerium. Und so wurde er eines Nachts ins Gefängnis
gerufen. Man sagte ihm, ein Häftling bedürfe dringend eines Arztes. Der Arzt
ging hin. Plötzlich befand er sich im Gefängnis allein inmitten von Häftlingen.
Die Mafiaanführer verprügelten ihn gründlich, nach allen Regeln der Kunst. Die
Aufseher bemerkten nichts. Der Arzt zeigte die Sache beim Staatsanwalt und beim
Ministerium an. Die Mafialeute, allerdings nicht alle, wurden in ein anderes
Gefängnis verlegt. Der Arzt wurde vom Ministerium entlassen, da sein Übereifer
zu Zwischenfällen Anlaß gegeben habe. Als militantes Mitglied einer Linkspartei
wandte er sich um Unterstützung an seine Parteigenossen. Sie antworteten ihm,
es sei besser, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Da es ihm nicht
gelang, für die ihm angetane Beleidigung Genugtuung zu erhalten, wandte er sich
schließlich an einen Mafiaführer. Der ließ ihm wenigstens die Genugtuung zuteil
werden, daß einer von denen, die ihn verprügelt hatten, in dem Gefängnis, in
das er versetzt worden war, selbst verprügelt wurde. Anschließend wurde ihm
dann versichert, der Schuldige sei gebührend verprügelt
worden. -
Leonardo Sciascia, Der Tag der Eule. Zürich 1991
Genugtuung (4)
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