Da ihn der Kahn ans Ufer hingetragen. So weit ein starker
Arm den Stein verschickt, Scheint's ihm, als hör', und hör' er
nicht, ein Klagen, So schwach kommt's an sein Ohr und so erstickt. Er
eilt sogleich, sich linker Hand zu schlagen, Und wie er übers
Meer hinunterblickt, Sieht er ein Weib, nackt, wie's zur Welt
gekommen, An einem Pfahl, den Fuß vom Meer umschwommen.
Er kennt sie nicht: zu fern noch ist die Stelle, Auch neigt
sie das Gesicht vor herber Pein. Die Ruder zieht er an und naht
in Schnelle, Voll von Begier, mit ihr bekannt zu sein. Urplötzlich
nun erbrüllt des Meeres Welle, Die Klüfte
hallen wider und der Hain. Das Wasser schwillt, das Untier
kommt gezogen Und birgt fast ganz mit seiner Brust die Wogen.
Wie, von Gewittern schwanger und von Regen, Die Wolke steigt
aus dunklem, feuchten Tal Und, finstrer als die Nacht, sich
herzulegen Scheint um die Welt und tilgt des Tages Strahl: So
schwimmt das Untier dem Gestad' entgegen Und deckt das ganze
Meer mit einem Mal. Die Flut erbraust; Roland, sich in sich fassend,
Beschaut es stolz, nicht wankend noch erblassend.
Und als ein Mann, der, was er will vollbringen, Vorher bestimmt,
regt er sich nun in Hast; Und um zugleich dem Fräulein Schutz
zu bringen Und zu bekämpfen die gewalt'ge Last, Läßt er das
Fahrzeug zwischen beide dringen, Nimmt dann (das Schwert bleibt
von der Scheid' umfaßt) In seine Hand den Anker samt den Tauen Und
harrt des wilden Untiers ohne Grauen.
Als nun der Fisch den Paladin im Nachen So nahe sieht, schießt
er heran im Flug Und öffnet zum Verschlingen einen Rachen,
Für einen Mann zu Pferde weit genug. Der Ritter eilt, sich in
den Schlund zu machen Mit seinem Anker und (irrt mich kein Trug)
Auch mit dem Kahn, und läßt des Ankers Zacken Die weiche
Zunge samt dem Gaumen packen.
Nun hat der Kiefer, unten sich zu heben Und oben sich zu senken,
keine Macht. So hält, wer Minen gräbt, durch starke Streben Die
Erde fest, wo er sich Wege macht, Um sich vor jähem Sturze Schutz
zu geben, Indes er fortarbeitet, unbedacht. Und da jetzt hoch
der Anker steht im Kraken, Faßt Roland
nur im Sprung den obern Haken.
Als nun die Stütze fest steht auf die Dauer, So daß der Rachen
sich nicht schließt fortan, Zieht er sein Schwert und fängt im
dunkeln Schauer Bald da, bald dort ein Hau'n und Stechen an.
Wie eine Festung, drang in ihre Mauer Auch schon der Feind,
ihn noch bekriegen kann: So kann das Tier den Ritter noch bekriegen,
Der in den Rachen ihm hinabgestiegen.
Bald fährt es aus dem Meer, im Schmerz der Wunde, Und reckt
die schupp'ge Seit' und Schulter vor; Bald taucht es ein, wühlt
mit dem Bauch vom Grunde Den Sand herauf und spritzt ihn hoch
empor. Der fränk'sche Ritter, dem zu viel im Schlunde Des
Wassers wird, kommt schwimmend draus hervor. Das Tau des Ankers,
den er sitzen lassen, Versäumt er nicht, mit seiner Hand zu
fassen.
Mit diesem schwimmt der Paladin in Eile Dem Felsen zu, und
dort, den Fuß gestemmt, Zieht er den Anker nach, des scharfe
Teile Dem wüsten Fisch ins Maul sich eingeklemmt. Das Ungeheuer
folgt dem hänfnen Seile, Gezwungen durch die Kraft, die niemand
hemmt, Die Kraft, die mehr in einem Rucken machte, Als wohl
ein Ankerspill in zehn vollbrachte.
So wie ein wilder Stier, dem rascherweise Ein derber Strick
sich um die Hörner schlingt, Bald da-, bald dorthin setzt, sich
dreht im Kreise, Sich stürzt und hebt und doch nicht los sich
ringt: So folgt der Fisch, aus seinem alten Gleise Gezogen
durch den Arm, der ihn bezwingt, Trotz tausendfachem Wälzen,
Drehn und Schütteln Dem Seile nach und kann nicht los sich rütteln.
Dem Schlund entströmt so stark des Blutes Quelle, Daß man
dies Meer das Rote heißen kann. Nun schlägt der Fisch mit solcher
Macht die Welle, Daß bis zum Grund sie auseinanderrann; Und
nun, den Himmel badend und die Helle Der Sonne bergend, spritzt
er sie hinan. Laut widerhallt das ungeheure Brausen Von
Berg und Wald und fernen Uferklausen.
Der alte Proteus kommt, um zu gewahren,
Was hier geschieht, aus seiner Grott' heraus, Sieht Roland
ein und aus zum Kraken fahren, Ans Ufer ziehn den ungeschlachten
Graus Und flüchtet übers Meer, der wilden Scharen Uneingedenk.
Neptun, bei dem Gebraus, Läßt an den
Wagen die Delphine spannen Und jagt ins Äthiopenland von dannen.
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