Manche, o Tapferster, sind, deren einmal verwandelter
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Proteus (2) «So will ich dir. Fremder! ganz unverdreht verkünden: Es pflegt ein Meeresalter hierher zu kommen, ein untrüglicher: der unsterbliche Proteus, der Ägypter, der die Tiefen des ganzen Meeres kennt, ein Untertan des Poseidon. Dieser, so sagen sie, sei mein Vater und habe mich gezeugt. Dieser, wenn du ihm auf irgendeine Weise auflauern und ihn fassen könntest, so möchte er dir wohl den Weg und die Maße der Fahrtsagen und die Heimkehr, wie du über das fischreiche Meer gelangen magst, und möchte dir auch sagen, Zeusgenährter, wenn du es willst, was immer dir in den Hallen Übles wie Gutes geschehen ist, indessen du hinweggewesen den langen und beschwerlichen Weg.»
So sprach sie. Und ich antwortete und sagte zu ihr: «Sinne du selber jetzt die Lauer nach dem göttlichen Alten aus, daß er mir, wenn er mich zuvor gesehen oder zuvor bemerkt hat, nicht entschlüpfe. Denn schwer ist für einen sterblichen Mann ein Gott zu überwältigen.»
So sprach ich. Sie aber antwortete alsbald, die Hehre unter den Göttinnen: «So will ich dir dieses ganz unverdreht berichten. Wenn die Sonne über den mittleren Himmel geht, dann wird der untrügliche Meeresalte aus der Salzflut kommen, mit dem Blasen des West, gehüllt in einen schwarzen Schauer. Und ist er herausgekommen, wird er sich unter den gewölbten Höhlen schlafen legen, und um ihn ruhen versammelt Robben, die Sprößlinge der schönen Meerestochter, die aus der grauen Salzflut aufgetaucht, des tiefenreichen Salzes bitteren Geruch ausdünsten. Dorthin will ich dich mit dem aufgehenden Frühlicht führen und dich in die Reihe betten, du aber sollst drei Gefährten gut auslösen, die dir bei den gutgedeckten Schiffen die besten sind. Und alle Ränke des Alten will ich dir nennen: Erst wird er dir die Robben zählen und sie abschreiten. Doch hat er sie alle nach fünfen gezählt und angesehen, wird er sich, wie ein Hirt unter Schafherden, in ihre Mitte legen. Sobald ihr ihn nun gesehen habt, wie er sich gebettet, so seid bedacht alsdann auf Kraft und Gewalt und haltet ihn auf der Stelle fest, so sehr er tobt und zu entschlüpfen trachtet! Versuchen wird er sich darin, daß er zu allem wird, soviel Kriechendes auf der Erde lebt, wie auch zu Wasser und brennendem Feuer. Ihr aber haltet unerschütterlich und zwängt nur um so mehr. Doch wenn er dich nun selbst mit Worten anspricht, in der Gestalt, in der ihr ihn gesehen habt, als er sich hingebettet, dann halte ein mit der Gewalt und laß ihn los, den Alten, Heros! und frage ihn, wer von den Göttern dir zürnt, und nach der Heimkehr, wie du über das fischreiche Meer gelangst.»
Als sie so gesprochen hatte, tauchte sie unter das wogende Meer. Doch ich ging zu den Schiffen, wo sie auf dem Sande standen, und viel wogte mir das Herz, wie ich dahinging. Doch als ich zu dem Schiff und dem Meer hinabgekommen war, richteten wir das Nachtmahl, und es kam die ambrosische Nacht herauf. Da schliefen wir an dem Strand des Meeres. Als aber die frühgeborene erschien, die rosenfingrige Eos, da ging ich am Ufer des weitbahnigen Meeres entlang und flehte vielfach zu den Göttern. Und ich nahm drei Gefährten mit, denen ich für jedes Unternehmen am meisten vertraute.
Unterdessen war jene in die breite Mulde der See getaucht und hatte vier Felle von Robben aus dem Meer geholt — alle waren frisch abgezogen —, und sie war bedacht auf den Anschlag gegen den Vater, höhlte Lagerstätten im Meeressande aus und saß und wartete. Da kamen wir ganz nahe zu ihr heran, und sie bettete uns der Reihe nach und warf über jeden ein Fell. Da wäre es die fürchterlichste Lauer geworden, denn fürchterlich zerrieb uns der höchst verderbliche Geruch von den im Salzmeer auf genährten Robben. Wer möchte sich bei einem Meeresungeheuer schlafen legen? Jedocn sie rettete uns und ersann eine große Hilfe, brachte Ambrosia herbei und tat sie, die gar angenehm duftende, einem jeden unter die Nase, und vernichtete den Geruch des Ungeheuers.
Den ganzen Morgen warteten wir mit ausdauerndem Mute. Und
es kamen die Robben in Haufen aus der Salzflut, und sie legten
sich der Reihe nach alsdann am Strand des Meeres nieder. Um Mittag
aber kam der Alte aus der Salzflut und fand die wohlgenährten
Robben und schritt sie alle ab und zählte
die Zahl, und zählte uns als erste unter
den Untieren, und ihm ahnte nicht in dem Gemüte, daß es eine
List war, und legte sich alsdann auch selber. Wir aber sprangen
schreiend auf ihn zu und warfen unsere Arme um ihn. Doch der
Alte vergaß nicht seine listige Kunst, sondern er wurde wahrhaftig
erst ein starkbärtiger Löwe, aber dann
Schlange und Panther und ein großes
Wildschwein, und wurde feuchtes
Wasser und hochbelaubter Baum.
Wir aber hielten unerschüttert mit ausdauerndem Mute fest. Doch
als der Alte nun der Ränke, die er wußte, überdrüssig wurde,
da fragte er mich und sagte mit Worten zu mir: «Wer von den Göttern,
Sohn des Atreus! hat mit dir zusammen Rat gepflogen, daß du mir
aufgelauert und mich Widerstrebenden ergriffen hast?» - (
hom
)
Proteus (3) Sich Allen zu fügen wissen:
ein kluger Proteus: gelehrt mit dem Gelehrten, heilig
mit dem Heiligen. Eine große Kunst, um Alle zu gewinnen: denn die Uebereinstimmung
erwirbt Wohlwollen. Man beobachte die Gemüther und stimme sich nach dem eines
Jeden. Man lasse sich vom Ernsten und vom Jovialen mit fortreißen, indem man
eine politische Verwandlung mit sich vornimmt. Abhängigen
Personen ist diese Kunst dringend nöthig. Aber als eine große Feinheit erfordert
sie viel Talent: weniger schwer wird sie dem Mann, dessen Kopf in Kenntnissen
und dessen Geschmack in Neigungen vielseitig ist. - (
ora
)
Proteus (4) Wer sich verwandeln kann,
dem wird auch das Wesentliche zum Spiel. Dem Genie eignet die Theatralik der
Intuition, jene Vielfalt der Spiegelung, aus der die Gedanken kommen. Sodann
die labile Geschlechtsanlage, als eine Fähigkeit, das Blickfeld von Mann und
Frau beliebig in sich zu vertauschen. Die daher rührenden Erkenntnisse und Freiheiten
kann man jetzt, da sie popularisiert sind, allerorten studieren. Das Hermaphrodisische
ist indessen nur ein Teil der proteischen Gesamtanlage; diese selbst hat tiefere
Gründe. Gleichviel worin sie bestehen mögen, das eine ist gewiß: Menschen, die
in der Wurzel erstarrt und
vertrocknet sind, die sich nicht mehr versetzen und verwandeln
können, hören auf, Gedanken zu haben und produktiv zu sein. -
Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit. Zürich 1992
Proteus (5)
Proteus (6) »Sie sagen, er sei mein Vater, der mich gezeugt hat. Wenn du ihm hier auflauern wolltest und ihn gefangen nehmen könntest, so würde er dir den Weg sagen und die Zahl der Tagesreisen bis zu deiner Heimkehr, damit du das fischreiche Meer glücklich durchquerest. Wenn du willst, wird er dir auch sagen, was alles - Böses oder Gutes - in deinem Hause geschah, während du fern warst, auf der langen, mühsamen Reise.«
Worauf Menelaos zur Meergöttin: »Sage du also, wie ich
ihm auflauern soll, dem göttlichen Alten, damit er mich nicht erblickt
oder sonst vorauswissend mir nicht entwischt. Denn einem Sterblichen ist
es doch schwer, eines Gottes Herr zu werden.« Worauf die Göttin: »Ich
sag' es dir, Fremdling, ganz genau. Wenn die Sonne im Mittag steht,
steigt der Meergreis aus dem Wasser, der Greis, der die Wahrheit sagt.
Er kommt beim Wehen des Westwindes, im dunklen Wellengekräusel. Ist er
aus dem Wasser gestiegen, so legt er sich hin, unter die ausgehöhlten
Klippen. Um ihn herum schlafen die Robben, die Brut der schönen
Meeresgöttin, herdenweise, wie sie aufgetaucht sind aus dem weißgrauen
Wasser. Den bitteren Geruch des Tiefwassers atmen sie noch aus. Dorthin
werde ich dich führen, beim Frühlicht, dort werde ich euch im Hinterhalt
verstecken. Du wähle nur drei aus von deinen Gefährten, die besten
dazu. Ich erzähle dir jetzt die gefährlichen Künste des Alten. Zuerst
zählt er die Robben, fünf um fünf, mit der Hand. Nachher legt er sich
nieder in ihrer Mitte, wie ein Hirt in der Mitte seiner Herde. Sobald
ihr merkt, daß er eingeschlafen ist, nützet Gewalt und Stärke. Haltet
ihn fest, wie sehr er auch zu entwischen trachte. Denn er wird es
versuchen. Er wird alle Gestalten der Tiere annehmen, so viele es deren
auf Erden nur gibt. Er wird sich sogar in Wasser verwandeln und in
Feuer. Ihr aber haltet ihn unerschütterlich fest, schnüret die Fesseln
um so enger zusammen. Erst wenn er euch zu bitten beginnt, in derselben
Gestalt, in der er vor euren Augen einschlief, erst dann höret auf,
Gewalt zu üben, löset den Alten und befraget ihn . ..« Und so geschah
es. Proteus nahm die Gestalt eines Löwen, einer Schlange, eines
Leoparden, eines Schweines, dann auch des Wassers und eines Baumes an
und sagte schließlich die Wahrheit aus, über alles, worum er gefragt
wurde. -
kere
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