ada-Ball An den Wänden hingen große Papierpanneaux, geklebt von dem bekannten
Pariser Maler Christian Schad und versehen mit amüsanten Inschriften wie: »La
peinture est peut-être le meilleur moyen pour terminer les difficultés conjugales«,
und an allen Ecken und Enden befanden sich kleine Glöckchen, die auf bisher
noch nicht erklärte Weise ohne Unterlaß leise läuteten. Dazu machte eine Original-Jazz-Band-Dada-Kapelle,
die sich zur Komplettierung ihrer Klangwirkungen alter Töpfe, Autohupen, Kasserollen,
Hundepfeifen und Flaschen bediente, einen geradezu beispiellosen Spektakel,
den wiederum das Publikum vermehrte, indem es von einer amerikanischen (bei
Drehung hustenden) Autohupe, die an einem Pfeiler montiert war, Gebrauch machte.
Oberhalb dieser Hupe befand sich nämlich folgende Anweisung: »Pour surpasser
Baudelaire, Caillaux et Picasso, tournez une fois s. v. p." An einem anderen
Pfeiler hing ein Schwamm und darunter folgende Erklärung (in französischer Sprache):
»Hier sehen Sie den Schwamm, mit dem Clémenceau sich
kämmte, bevor er nach Ägypten sich einschiffte.« Kurz vor Mitternacht wurden
zu Hunderten kleine Dadapfeifen und Dadaflöten verkauft, die durchaus neue Quargeltöne
von sich gaben, so daß im Nu Musik und Gespräche in einem ohrenbetäubenden Lärm
untergingen. In diesem Augenblick jedoch erschien der Manager des Balls, der
Dadaistenführer Dr. SERNER, im Frack und roter Weste
auf dem Podium, auf dem er einen überlebensgroßen Papiermachémops
postierte, ihm das Maul öffnete und einen Klaps auf den Kopf versetzte, worauf
aus dem Hals des lieblichen Tiers eine alles übertönende Detonation erfolgte.
Sofort erschienen drei als Polizisten verkleidete Dadaisten und verhafteten
Dr. Serner, schleiften ihn in den Saal und verurteilten ihn zur Arrangierung
der Dada-Polonaise, welcher Aufgabe er sich in einer Weise entledigte, die solche
Bedenken erregte, daß die echte Saalpolizei einschreiten mußte und fast den
Ball sistiert hätte. Herr Dr. Serner gruppierte nämlich etwa ein Dutzend maskierter
Damen um sich, die ihm den Frack auszogen, die Hemdärmel
emporschoben und ihm auf die nackten Ellbogen abwechselnd kleine Schläge versetzten;
als sie sich aber anschickten, diese Tortur zu erweitern, ertönten Pfuirufe,
und ein Teil des Publikums nahm eine drohende Haltung ein, die jedoch sofort
in Protestkundgebungen umschlug, als ein Polizeileutnant Dr. Serner aus dem
Saal führte. Der Konflikt wurde dann beigelegt, der Ball ging weiter und endete
um fünf Uhr morgens mit einer gewaltigen Dada-Apotheose:
zwanzig Dadaisten schossen aus Kinderrevolvern minutenlang
auf Dr. Serner, der ununterbrochen stöhnte: »Ah,
c'est bon! Encore! Encore!« K. F. [PRAGER TAGBLATT
Nr. 69, 21. 3. 1920] - Nach: Walter Serner, Das Hirngeschwür. Hg.
Thomas Milch. München 1988
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