Dada-Baroness  

Elsa von Freytag-Loringhoven mit rasiertem und lackiertem Kopf, einen Teeball um ihren Hals, als wäre es eine Lavalier-Halskette, gelbe und schwarze Strümpfe, ein Kohleneimerdeckel als Helm und einen Hund an einer roten Leine. Mit dem Haupt eines römischen Imperators, grünen stechenden Augen, einer rauen authentischen Stimme, die aus einer verwüsteten Region kam, so deklamierte sie Hamlet auf Deutsch.  

Totenmaske Elsa von Freytag-Loringhoven

 - Djuna Barnes, nach dem Vorwort zu: Mein Mund ist lüstern - I got lusting palate. Dada-Verse von Elsa von Freytag-Loringhoven. Hg.und Übs. Irene Gammel. Berlin 2005

Dada-Baroness (2) The poet William Carlos Williams rued a short affair with her and was haunted by the baroness’s plaintive cry, “Villiam Carlos Villiams, I vant you“. Duchamp simply lived in terror of her.  - N.N.

Dada-Baroness (3)

Dada-Baroness (4)  Zurück zu der Baronin. All die alten Mädchen aus Greenwich Village standen hinter ihr; auf der Fifth Avenue mit einer schwarzen Haube auf dem Kopf, dazu ein schwarzes Baumwollkleid, in das vorn und hinten Monde geschnitten waren, damit man gleich wußte, wo's langging. Sie betrieb ihre Attacken mit einer Beharrlichkeit, die mir schließlich sehr zu schaffen machte. Aber ich habe mich nie sonderlich mit den Ideen oder Ansichten anderer Leute beschäftigt, wenn sie meinen widersprachen. Ich war zu nichts zu bewegen.

Ich besuchte die Frau einmal, gab ihr kleinere Geldbeträge. Viel Asche in ihrem elenden Herd. Sie wohnte in den Slums, zusammen mit ihren zwei kleinen Hunden in einem Zimmer; ich habe sie auf ihrem schmutzigen Bett kopulieren sehen. Aber die Baronin war in diesem Augenblick die Höflichkeit selbst. Wir sprachen miteinander, und das war alles. Ein gutes Gespräch, ich war bewegt. Doch als sie dann später ihre Nummer abzog, mußte ich grob werden.

Als Wallace Stevens in der Stadt war, fürchtete er eine Zeitlang, ihretwegen die 14. Straße Richtung Village zu überqueren. Und einem russischen Maler passierte es, daß er eines Nachts in sein kleines Zimmer kam und sie ihm nackt unterm Bett hervor entgegenkroch. Er floh zu einem Nachbarn auf der anderen Seite des Flurs. Sie war erst aus dem Haus zu bringen, als er ihr versprach, sie in ihre eigene Wohnung zu begleiten.

Bob McAlmon war einmal hier bei uns zum Abendessen, als ich telefonisch zu einem kranken Baby in der Union Avenue gerufen wurde. Ich nahm die Tasche und ging zu meinem Wagen, den ich am Bordstein geparkt hatte. Doch als ich eben einsteigen wollte, packte mich jemand beim linken Handgelenk. Es war sie.

»Du mußt mit mir kommen«, sagte sie mit ihrem starken deutschen Akzent. Wie man sich leicht vorstellen kann, war ich sprachlos und auch ziemlich verblüfft, denn - nun, sie war schließlich eine Frau.

Das Ganze endete damit, daß sie ausholte und mir mit voller Wucht an den Hals schlug. Sie hatte irgendeinen kleinen Scheißer dazu gebracht, mich bloß deswegen vom Abendessen wegzulocken. Ich stand nur so da und dachte nach. Aber zufällig kam in diesem Augenblick ein Polizist vorbei.

»Alles in Ordnung, Doc, werden Sie von dieser Frau belästigt?«

»Nein«, sagte ich, während sie schon Reißaus nahm. »Lassen Sie sie laufen.«

Danach kaufte ich mir einen kleinen Punchingball, um mich im Keller daran abzureagieren, und als sie mich, ein paar Monate später gegen sechs Uhr abends auf der Park Avenue, das nächstemal attackierte, schlug ich sie mit einem harten Schlag auf den Mund nieder. Ich glaubte, sie werde mit einem Messer über mich herfallen. Als ich sie verhaften ließ, brüllte sie: »Wer bist du eigentlich hier? Napoleon?«

Aber im Gefängnis streckte sie eine Hand durchs Gitter und versprach, so etwas nie wieder zu tun.

Komischer Anblick, wie sie mit Officer Campbell die Straße hinunterging; sie versuchte seinen Arm zu nehmen, und er stieß sie weg. Die Frau hat mich wirklich fertiggemacht.

Später gab ich ihr zweihundert Dollar, damit sie das Land verlassen konnte. Der Überbringer verdrückte sich mit dem Geld. Ich gab ihr mehr, und endlich reiste sie ab, nur um von irgendeinem französischen Witzbold, wie es hieß, aus Spaß getötet zu werden: er drehte, während sie schlief, in ihrer Wohnung den Gashahn auf. - (wcwa)

 

Dadaistin

 

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