erliner Hexenverbrennung Nach dem Urteilsspruch, der bald erfolgte, sollte das alte Hexenweib auf dem Neumarkt lebendig verbrannt werden.
Als nun der Tag der Hinrichtung herangekommen, wurde die alte Barbara unter dem Zulauf einer unzähligen Menge Volks auf den Neumarkt und auf das daselbst erbaute Gerüst geführt. Man befahl ihr, den schönen Pelz, den sie angetan, abzulegen, das wollte sie aber durchaus nicht tun, sondern bestand darauf, daß die Henkersknechte sie, gekleidet wie sie war, an den Pfahl binden sollten, welches denn auch geschah.
Schon brannte der Scheiterhaufen an allen vier Ecken, da gewahrte man den Fremden, der riesengroß unter dem Volke hervorragte und mit funkelnden Bücken hinstarrte nach der Alten.
Hoch wirbelten die schwarzen Rauchwolken auf, die prasselnden Flammen ergriffen die Kleider des Weibes, da schrie sie mit gellender entsetzlicher Stimme: ,Satan - Satan! hältst du so den Pakt, den du mit mir geschlossen! - Hilf, Satan, hilf! meine Zeit ist noch nicht aus!'
Und plötzlich war der Fremde verschwunden, und von dem Ort, wo er gestanden, rauschte eine große schwarze Fledermaus auf, fuhr in die Flammen hinein, erhob sich kreischend mit dem Pelz der Alten in die Lüfte, und krachend fiel der Scheiterhaufen in sich zusammen und verlöschte.
Grausen und Entsetzen hatte alles Volk erfaßt. Jeder wurde nun wohl inne,
daß der stattliche Fremde kein anderer gewesen, als der Teufel selbst, der Arges
gegen die guten Berliner im Schilde geführt haben mußte, da er sich so lange
Zeit hindurch fromm und freundlich gebärdet, und mit höllischer Arglist den
Ratsherrn Walther Lütkens und viele andere weise Männer und kluge Frauen betrogen.
- E. T. A. Hoffmann, Die Serapionsbrüder (zuerst 1819 ff.)
Berliner
Hexenverbrennung (2) HEINER MÜLLER: Friedrich
II. von Preußen kann, unmittclbar nach seinem Regierungsantritt, die Verbrennung
einer Hexe nicht sogleich unterbinden. Die Minister sagen: Das Urteil ist rechtskräftig.
Des Königs Befehl mag für alle folgenden Urteile Geltung haben, er kann bestehende
jedoch nicht aufheben. Wird das Recht nicht angewendet, geht eine Welt verloren.
Das glaubte der König nicht. Er ließ die Verurteilte hinter einer Kulisse aus
Feuer und Rauch hinwegbringen und sicher in einer Kaserne verwahren. Dann verheiratete
er die Hexe mit einem seiner Husaren.
ICH: Durch
wen ließ er die Vollstreckung sabotieren?
MÜLLER: Er ließ durch ein Bataillon
Soldaten den Platz sperren. Reiter brachten die junge Frau in Sicherheit.
ICH:
Sahen die Zuschauer das ?
MÜLLER: Nein. Ich bin nicht einmal sicher, daß
die Justizorgane den Vorgang durchschauten. Viel Feuer im Vordergrund. Die Militärs
(Pioniere) hatten das Anzünden übernommen, niemand wurde enttäuscht. Das Schauspiel
wurde nicht abgesetzt.
ICH: Und er vermittelte eine Ehe mit einem jener
Soldaten ?
MÜLLER: Einem Reiter. Es soll ein homosexueller Offizier
gewesen sein. Er koexistierte jetzt lebenslang neben der Geretteten. Der König
hatte eine sadistische Neigung. Ein Operateur. Ein scharfer Geist.
ICH:
Ihm wurde die gute Tat nicht zugerechnet, weil ja keiner davon wußte?
MÜLLER:
Nein. Das ist der Unterschied zwischen der Macht des Kaisers oder Stalins
und der subtilen Stellung eines preußischen Königs. - (klu)