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- Peter Rühmkorf, nach (
was
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Fledermaus (2) Ngoh hörte, daß man im Pavillon eben den Dämon des kranken Kindes gesehen hätte in Gestalt einer kleinen Fledermaus, welche der Mutter ins Haar schoß, dann über das hitzige Gesicht des Kindchens flatterte und zur Tür hinausfuhr. Ngoh erkannte aus der Beschreibung, an der Größe des Tiers, der weißlichen Bauchfärbung und aus der Richtung des Fluges, daß es sich um einen Schatten handele, den er selbst öfter an demWassergraben beobachtet hatte, in Gesellschaft einer Libelle und zweier brauner Kröten. Er postierte vor das Tor des Wu-ti zu Einbruch der nächsten Nacht sechs beherzte Männer seiner Truppe, die er mit Schilden, Pfeil und Bogen bewaffnete; er selbst stellte sich vor den Eingang des bedrohten Pavillons mit einem nackten Schwert.
Am Ende der ersten Nachtwache sahen die sechs Männer etwas aus dem Wasser aufschwirren; sie schossen ihre Bogen ab; die Frauen, durch den Lärm geängstigt, ließen Brander auf Brander los, um das Gespenst zu verscheuchen; weiß und grün strahlten die Raketen durch die finsteren Gärten. Der Dämon, nur geblendet, drang durch, umflog die Zypressen; Ngoh sah ihn in dem Licht eines Branders wie betäubt heranflattern. Er hieb auf ihn zu; man hörte ein Quaken und Kreischen. Die Bestie wandte sich, flog zurück. Ngoh verfolgte sie brüllend, mit dem Schwert fechtend; sie kamen vor das Haus des kaiserlichen Musikmeisters, eines Eunuchen; im Nu war die Bestie über der Mauer des Hauses verschwunden. Als noch die Frauen angelaufen kamen und das Licht der zitternden Lampions zunahm, erwachte drin der Beamte, trat im Nachtgewand erstaunt vor die Tür, fragte, was geschehen wäre. Ngoh schrie: «Der graue Fledermausdämon ist hinter deine Mauer geflogen.» Entsetzt lief der schwerfällige Mann mit Ngoh und anderen in das Haus hinein; als sie schon in alle Winkel geleuchtet hatten, schlug sich der Musikmeister vor die Stirn, flüsterte, sie sollten einmal rasch neben dem Ofen im Wohnzimmer suchen.
Und da saß ein kleines Weib mit grünen Augen, der das Blut aus der Brust
tropfte, mit dem Gesicht eines Affen. Sie war grau und sagte, sie wüßte nicht,
wie alt sie wäre. Man fragte sie näher aus, hielt sie an den Händen fest. Tu-schi,
der berühmte Beschwörer der Roten Stadt, der sich diese Nacht bei dem bedrohten
Pavillon aufgehalten hatte und mit in das Haus gedrungen war, gab ein Warnzeichen
den Leuten, welche die graue Hexe hielten;aber es war zu spät. Sie hatte sich
in eine schwarze Katze verwandelt, zerkratzte den Männern Hände und Arme. Tu-schi
warf sich über sie; im Augenblick, als er über sie fiel, hatte er sich durch
einen Blick in seinen achteckigen Handspiegel in einen weißen Tiger verwandelt,
zerriß die Katze. Blutend schlugen und bissen sie sich am Boden unter dem Geheul
der Weiber; da schlug Ngoh der Hexe den Kopf ab.
- Alfred
Döblin
, Die drei Sprünge des Wang-lun. München 1970 (zuerst 1915)
Fledermaus (3)
Fledermaus (4) Der harmlose Hautflügler wird bei
Toussenel Gegenstand eines heftigen Bannfluches, der ihn als »schwarzen
Geist des Abgrundes, als Satans Fahnenträger« denunziert, als »hageres, leichenfahles
Gespenst, das der Sterbende in seiner Höllenangst zu seinen Häupten auftauchen
sieht, als gräßlich lachendes Gespenst, das in der Abenddämmerung aus den Gräbern
schlüpft und im Morgengrauen wieder in ihnen verschwindet, als Skelett mit der
Sense, das stillen Fluges über den Gefilden des Erebos schwebt«. - (
krak
)
Fledermaus (5)
DIE FLEDERMÄUSE
in schwerem Flug
Pfui über die Zauberer! Sie machen sich zuviel böses Blut ... Wir
suchen apoplektische Feinschmecker. Doch die kommen selten in den Wald. Wir
sind so sanft, wir saugen so wollüstig, und wir lieben uns. Wir sind auserwählt,
engelsgleich und liebevoll. Wer würde uns nicht liehen? Wer uns ins Unrecht
setzt, sind die Blutegel und die Moskitos. Wir lieben uns, und nichts ist erbaulicher,
als uns in mondhellen Nächten gepaart zu sehen als die wahren Vorbilder
des vollkommenen Menschen. - Guillaume Apollinaire,
Der verwesende Zauberer, nach
(
apol
)
Fledermaus (6) Sobald das Tageslicht den
Hof zu verlassen begann, trat eine Fledermaus an seine Stelle. Sie kam
aus einem unsichtbaren Loch, wo sie gewiß geboren war, und schickte sich
an, in großen Kreisen allmählich aufwärts zu steigen. Wenn sie die Höhe
von Theophiles Fenster erreicht hatte, wich sie von ihren Kreisen ab,
als wollte sie zu ihm hereinfliegen. Manchmal krallte sie sich ganz
verwirrt in den roten Vorhang oder in den Musselin. Manchmal warf sie
sich ihm ins Gesicht. Er fragte sich, ob das nicht die Seele der
Spenglersfrau war, die da umging. Er fragte sich, ob dies nicht die
Hölle sei - etwas Trübseliges zu sein, das immer um sich selber kreist.
Nie würde sie die Kraft haben, zur Höhe der Dächer aufzusteigen und sich
dort in die Unendlichkeit zu werfen, wo die Begeisterung ihre Flügel
kräftigen und sie in immer weiteren Kreisen dahintragen würde. Wie sie
zu leiden schien, daß sie so ins Enge gesperrt, zwischen die Steine
dieser Gruft verbannt war; Überall stieß sie an, und mit matten,
verletzten Flügeln erreichte sie ganz verstört den zweiten Stock. Die
letzten Schwalben, die mit freudigen Schreien vorbeistoben, erschreckten
sie; sie senkte ihren Flug wieder. Sicherlich würde sie in dem Hof
sterben, in dem sie geboren war. Sie würde von der Welt nie etwas
anderes sehen als diesen kleinen Abgrund. Theophiles Licht besaß eine
große Anziehungskraft für sie. Eines Abends schien sie keine Kreise mehr
zu beschreiben. Fast senkrecht stieg sie verzweifelt in die Hohe, mit
immer spitzerem Ächzen. Für einen Augenblick erreichte sie den
Taubenschlag, dann fiel sie in einer Windung zurück. Augenscheinlich
hatte sie, um ihre Flügel eine weitere Bahn zu führen, sich vorgenommen,
ihren Kreis nach oben zu beschreiben. Er war groß, doppelt so groß wie
die anderen. Sie stieg, und stieg. Anderntags sah Theophile sie nicht
wieder. Er sah sie niemals wieder, ihre Anstrengung hatte sie wohl das
Leben gekostet. - Marcel Jouhandeau,
nach
(arc)
Fledermaus (7) ... ein Sommernachmittag, heiß,
und auf dem staubigen Weg eine Fledermaus,
mit verletzter Membrane und kleinen Händen,
eine Begegnung, die den jungen Aeschylos umgeworfen hätte,
ihr roter Mund hilflos, wie eine Maus oder Katze,
ein summendes wie von einem Summer, elektrisches,
pathetisches Knistern in dem Weg.
Sie umklammerte den Zweig, ich legte sie in den Schatten,
voll Mitleids, aber blinden Entsetzens auch,
betend, daß nicht zu bald
den Tod es kümmern möge, so viel für mich zu tun. - Malcolm Lowry,
nach
(arc)
Fledermäuse (8)
Die Fledermäuse verstecken sich im Gesims des Zollamts. Aber wo verstecken sich die Menschen, die doch das ganze Leben im Dunkeln fliegen und an die weißen Wände der Liebe stoßen? Das Haus unseres Vaters war voll von Fledermäusen, die wie Lampen an den alten Dachsparren hingen, die das vom Regen bedrohte Dach stützten. »Diese Söhne saugen unser Blut«, seufzte mein Vater. Welcher Mensch wird den ersten Stein auf dieses Säugetier werfen, das wie er sich vom Blut der anderen Tiere nährt (mein Bruder, mein Bruder!) und aus Gemeinsinn den Schweiß des anderen noch in der Dunkelheit fordert? Im Lichthof einer Brust, jung wie die Nacht, versteckt sich der Mann; im Kapok seines Kopfkissens, im Licht des Scheinwerfers bewahrt der Mann die goldenen Münzen seiner Liebe. Aber die Fledermaus, schlafend wie ein Pendel, bewahrt nur den gekränkten Tag. Sterbend hinterließ Vater uns (mir und meinen acht Brüdern) sein Haus, in das es nachts durch zerbrochene Dachziegel regnete. Wir tilgten die Hypothek und behielten die Fledermäuse. Und sie zappeln zwischen unseren Wänden: blind wie wir. |
- Lêdo Ivo, nach
(arc)
Fledermäuse (9) Eine Fledermaus könnte als
eine nach Ovids Art verwandelte Maus angesehen werden, die, von einer
unzüchtigen Maus verfolgt, die Götter um Flügel bittet, die ihr auch
gewährt werden. - Lichtenberg
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