Belegschaft  Schnaufend und glänzend, breitbeinig über den Sprüngen des Eisenbahnwagens auf der Seitenlinie Enduro, ging Sammler durch den Gang, um sich einige Kilometer vor der Einfahrt des Zuges in Santa Maria der Gruppe der drei Frauen anzuschließen. Er lächelte aufmunternd in die von Langeweile gedunsenen, von der Hitze, dem Gähnen, dem Reden geröteten Gesichter. Das Grün der flußnahen Felder lehnte eine schwache Frische an die verstaubten Fensterscheiben.

›Sobald ich ihnen sage, daß wir ankommen, fangen sie an zu schwatzen, sich zu schminken, besinnen sich auf ihren Beruf, machen sich häßlicher und älter, setzen Fräulein-Gesichter auf und schlagen die Augen nieder, um ihre Hände zu begutachten. Es sind drei, und ich habe nur vierzehn Tage gebraucht. Barthe bekommt mehr, als er verdient, er und die ganze Stadt, obwohl es sein kann, daß sie lachen, wenn sie sie sehen, und noch tage-und wochenlang weiterlachen. Sie sind keine Fünfzehn mehr und angezogen, wie um einen Ziegenbock abzukühlen. Aber sie haben Benehmen, sind gut, sind lustig und verstehen sich auf ihre Arbeit.‹

»Gleich sind wir da«, sagte er, seiner Resignation Begeisterung abringend, schlug Maria Bonita aufs Knie und lächelte den zwei anderen zu, dem kindlichen, runden Gesicht von Irene und den gelben Augenbrauen von Nelly, diesen sehr hohen, geraden Strichen, allmorgendlich nachgezogen, passend zu der Interesselosigkeit, dem Schwachsinn, dem Nichts, das ihre Augen geben konnten.

»Dachte ich mir, es war Zeit«, antwortete Maria Bonita. Sie kräuselte den Mund gegen das Fenster und eröffnete das Täschchenöffnen, den Tanz der Spiegel, Puderdosen, Lippenstifte. »Also hatte ich recht. Dieses sogenannte Santa Maria muß ein Loch sein.«

»Stimmt, hast du gesagt«, pflichtete Nelly bei; sie benützte einen Fingernagel, um die Farbe auf dem Mund zu verstreichen.

Irene betupfte sich die Nasenflügel mit der Puderquaste, matt, ohne Glauben; ihre dicken Knie standen weit auseinander, der üppig garnierte breitrandige Strohhut, an die Rückenlehne gequetscht, verkrümmte sich. Mit dem Handrücken wischte sie einen Halbkreis auf die Fensterscheibe; sie sah einen Regenbogen aus dürren Weiden, aus Pflanzungen, aus grauen, grünen und bräunlichen, vom wolkenverhangenen Nachmittag aufgeheizten Flächen.

»Mir macht das wenig. Klar ist das nicht die Hauptstadt; aber ich mag das Land.«

»Verlaß dich drauf«, sagte Maria Bonita spöttisch, gereizt. Sie hatte sich fertig hergerichtet und rauchte hastig, saß gerade und ruhig, ihrer verborgenen Fähigkeit zur Beherrschung sicher. ›Eine richtige Frau‹, urteilte Sammler mit Strenge und Stolz. »Einkaufsbummel und Festchen kannst du dir aus dem Kopf schlagen. Im Haus bleiben, arbeiten und das Geld zusammenhalten.«

»Dazu sind wir hergekommen«, bestätigte Nelly. »Die Großstadt ist schön, aber hier gehn wir aufs Positive.«   - Juan Carlos Onetti, Leichensammler. Frankfurt am Main 2001

 

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