Abessinier    Nichts war beunruhigender als die Schönheit dieses Mannes, der zugleich etwas vom Epheben und vom Tempelritter hatte und dessen zweideutiges Lächeln bis in die deutsche Armee hinein bekannt war, wo er damit einen Aberglauben wiederbelebte, der so alt war wie die Nibelungen.

Die Bayern schossen auf ihn, wann immer sie nur konnten, allerdings ohne die Hoffnung, ihn zu treffen. Unter anderem erzählte man sich über ihn jene übernatürliche Verrücktheit, er sei in ein von zweitausend Mann besetztes Dorf eingedrungen, nur um sich das Vergnügen zu gönnen, auf seinem Pferd in ein bestens bewachtes Haus hineinzureiten, wo er, gleichsam wie ein Gott, verfügte, dass ein bestimmter württembergischer Oberst um zwei Uhr nachmittags eine furchtbare Ohrfeige von seiner behandschuhten Hand empfing. Niemand konnte sich erklären, wie es ihm gelang, aus diesem Hexenkessel wieder zu entkommen.

Solche Anekdoten gab es über ihn zur Genüge und man wusste, dass der Feind den Bauern sehr große Summen geboten hatte, damit sie ihn auslieferten, tot oder lebendig.

So führte er Krieg auf eigene Rechnung, mitunter mit einer diabolischen Wildheit, und am Tag des Waffenstillstands verschwand er, um nie wieder zurückzukehren. Wir hielten es für möglich, dass er mit seinen eigenen Händen gut und gern drei- oder vierhundert Deutsche getötet hatte.

Das ist alles, was ich zu erzählen habe. Um den Herren Psychologen entgegenzukommen, bestehe ich auf dem bisher kaum berührten Punkt, dass mein angeblicher Abessinier das Antlitz eines einzigartig schönen, wollüstigen und friedfertigen Mädchens besaß. Leichtfertig und gründlich meuchelte er aber Kinder und Greise.

Nun, er war eben ein Liebhaber jeder Form des Krieges. Er war ausschließlich darauf begierig, Kehlen durchzuschneiden.

Obwohl es schon lange her ist, sehe ich ihn immer noch vor mir, bleich und rot wie eine Prostituierte, im Pelzmantel eines Magyaren oder eines Favoriten des Padischahs, alle zehn Finger gepflastert mit wertvollen Steinen und dich — von der Höhe seines fabelhaften Streitrosses herab - mit einem unaussprechlich gleichgültigen Lächeln betrachtend, aus bleiernen Augen, aus den schrecklichen Augen eines blinden Genießers, aus denen niemals ein auch noch so bleicher Strahl drang - Augen, auf deren Grund sich, sehr gepflegt, der Tod versteckte.  - Léon Bloy, Blutschweiß. Berlin 2011 (zuerst 1893)

Neger Abessinien

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Synonyme
Aethiopier