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hom
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Zurückverwandlung (2)
- George Grosz (1927), nach: Peter-Klaus Schuster u.a., George Grosz
Berlin New York. Ausstellungskatalog Berlin 1994
Zurückverwandlung (3) Ich ging in
ein anderes Zimmer, war aber schon im Begriff zurückzueilen, weil mich ein furchtbarer
Gestank beinahe überwältigte. Mein Führer aber drängte mich wieder voran, indem
er mich mit einem Flüstern beschwor, keinen Anstoß zu erregen, den man mir im
höchsten Grade übelnehmen würde; deshalb wagte ich nicht einmal, mir die Nase
zuzuhalten. Der Projektmacher in dieser Zelle war der älteste Gelehrte
der Akademie; Gesicht und Bart waren von blassem
Gelb, Hände und Kleider mit Kot bedeckt. Als ich ihm vorgestellt
wurde, erdrückte er mich beinahe mit einer Umarmung,
ein Kompliment, auf das ich gerne verzichtet hätte. Seine Beschäftigung war
seit seiner ersten Anstellung in der Akademie ein Verfahren, um den Menschenkot
wieder in den ursprünglichen Zustand der Nahrung zu versetzen durch Ausscheidung
der verschiedenen Teile, Entfernung der Gallenstoffe, Verdunstung des Geruches
und Abschlacken des Speichels. Die Gesellschaft hatte ihm wöchentlich ein mit
Kot gefülltes Gefäß von der Größe einer Tonne bewilligt. - (
gul
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Zurückverwandlung (5) Carlo verspürte einen jähen, grauenvollen Schmerz im Schoß, der ihn wie einen Verblutenden auf der Stelle erbleichen ließ, wie es immer nach einem ersten <... > der Fall ist. Der Schmerz schien sich einen Augenblick lang zu beruhigen, aber dann kam er wieder, stärker, mit einem unerträglichen Stich. Carlo konnte nicht anders, als seine Hände gegen den Schoß zu drücken und sich dabei zu krümmen. Die Sache war längst unmißverständlich. Mit vor Schmerz verhangenen Augen blickte er um sich und suchte verzweifelt nach Rettung: ihm hatte schon eine Ecke hinter einem Haustor genügt. Aber da, da war statt dessen, am Ende der Piazza mit ihrem vertrauten grauen Pflaster, unter den kühlen Arkaden, das Café xxx, das Café seiner Jugend. Immer noch die Hände gegen den Schoß drückend, erreichte Carlo es im Lauf und ging hinein. Es war voll. Sicher waren auch Bekannte von ihm dort. Doch er, mit einer sozusagen übermenschlichen Anstrengung, tat so, als wäre er geistesabwesend und fröhlich und bestellte, als er an der Kassiererin vorüberging, so, als ob nichts wäre, einen Tee; und ohne seine Schritt zu verlangsamen und mit dem Ausdruck bester Laune ging er zur Toilette weiter. Dort verschwand er und schloß sich ein, erfaßt von einem unwiderstehlichen Glücksgefühl: so unwiderstehlich, daß er mit leiser Stimme einen Dank an Gott vor sich hinträllerte.
Aber noch etwas anderes kam zu seiner Situation hinzu oder besser: überlagerte sie, eine Situation, die an und für sich bereits so romanhaft war.
Wie es scheint, tut die Menschheitsgeschichte nichts anderes, als uns das
eine zu wiederholen: nur das ist, was gewesen ist. Und so sah
Carlo, als er sich auszog, daß ihm das widerfuhr, was Ihm schon widerfahren
war. Rasch das Anasyrma vollendend, sah er im Spiegel
der Toilette, der ihn schon zu seiner Studentenzeit widergespiegelt hatte, anstelle
der Polyhymnia Polyhymnos oder, wenn man will, Baubo anstelle von Baubon. Ob
Polyhymnia oder Polyhymnos, ob Baubo oder Baubon, im Grunde ändert das nicht
viel. Es ist Ursache für das - vielleicht heilige - Gelächter - mit traurigen
Bezügen - sowohl für das Kind als für die kosmische Gottheit, das weiß der Leser
besser als ich. Das ändert aber nichts an Carlos tiefer Gemütsbewegung, als
er - im alten Spiegel des Scheißhauses - sah, daß sein Brustkasten ein hagerer
Brustkasten ohne Brüste war; und nachdem er sich — eben nach dem Ritus des Anasyrma
ohne daß allerdings in diesem Fall jemand lachte - die Hose und die Unterhose
heruntergezogen hatte, sah er: unterhalb seines Bauchs, unter dem schütteren
Haar, baumelte wieder der alte Penis. - Pier Paolo Pasolini, Petrolio. Berlin 1994
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