kademie
Einer Anekdote zufolge soll es bei einem frühen Treffen der Royal
Academy im London des siebzehnten Jahrhunderts, bei dem auch der König anwesend
war, zu einer ernsthaften Diskussion darüber gekommen sein, weshalb ein Glas
Wasser mit einem Goldfisch darin dasselbe wöge wie ein Glas Wasser ohne Fisch.
Alle möglichen Erklärungen wurden vorgeschlagen
und wieder verworfen. Die Debatte war recht hitzig, bis der König
unvermittelt erklärte: »Ich bezweifle Ihre Prämisse.« Er schickte nach einem
Goldfischglas samt Wasser, Fisch und einer Waage. Man stellte das Glas auf die
Waage, fügte den Fisch hinzu, und das Gewicht des
Glases erhöhte sich exakt um das Gewicht des Fisches.
- Matt Ridley,
Eros und Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München 1995 (zuerst
1993)
Akademie (2) Sonntag, 19. Februar 1933 Ich stehe zwischen den Terroristen von rechts und links. Möglicherweise muß ich zu Grunde gehen. Die Nerven halten nicht mehr. Trauer, vor furchtbare Konsequenzen gestellt zu sein, ohne das mindeste begangen oder auch nur gewußt zu haben.
Mittwoch, 15. zur Akademie, durch von Schillings berufen. Eröffnung, daß die Austritte erzwungen werden müßten. Dann die schreckliche Sitzung. Käthe Kollwitz und Heinrich Mann traten aus der Akademie aus. Wegen parteipolitischer Betätigung. Säulenplakat: »Setzt die Verantwortlichen unter Druck!« Natürlich griff die Regierung zu, voran Herr Rust. Schweigegebot. Aber Leonhard Frank und Döblin hatten nichts Eiligeres zu tun als alles herumzutratschen - in die Zeitungen, in die »Gesellschaft«. Letzten Donnerstag und Freitag habe ich an einer Erklärung für die morgige Sitzung der Akademie gearbeitet. Ich kann sie aber wegen der Denunzianten in unseren Reihen nicht verlesen. Viel durchgemacht. Meine Stellung in der Akademie ist über kurz oder ganz kurz dahin — die im Verlage auch gefährdet. Freitag im Ministerium Sitzung der Kreismannstiftung. Nun, das war wohl nur noch ein wehmütiger Scherz, was meine Teilnahme betrifft.
Freitag, 3. März 1933 Sonntag, 19. Februar Unruhe und Arbeit. Montag,
20. Akademie, abends Aussprache über den Austritt Manns. Vor der Sitzung eine
so gewittrige Stimmung, wie ich sie noch nie gespürt habe. Der unangenehme Leonhard
Frank schritt drohend auf und ab, Döblin auch unheimlich
zurückhaltend. Binding war gekommen. Nachher war der Verlauf leidlich,
bis auf das Verhalten Döblins und besonders Franks. Dumme Resolution
beschlossen, vorbehaltlich der Billigung durch den Präsidenten. Es wurde spät.
Ich blieb dann sehr lange in der Stadt, um den Anrufen der Zeitungen, die bei
der Klatschsucht Döblins und Franks bestimmt zu erwarten waren,
zu entgehen. Sehr kaputt innerlich. Dienstag, 21. Der Überfall in den Rücken
ist wieder geschehen: in der Vossischen Zeitung und im Berliner Tageblatt fast
wörtlich das in der Sitzung Besprochene. In der Akademie mit Schillings, Benn,
Binding. Der Präsident telephonierte mit allen, die
dagewesen waren, wer getratscht hätte. Es blieb an Frank und noch mehr
an Döblin hängen. Die anderen versicherten ehrenwörtlich oder diensteidlich,
nicht beteiligt gewesen zu sein. Die entsetzlichen Zeitungen bimmeln und bimmeln.
Ich ließ mich in jedem Falle verleugnen.
- Oskar Loerke, Tagebücher 1903 - 1939. Frankfurt am Main 1986 (st 1242)
Akademie (3) Die Gesellschaft war zahlreich, und aus allen Ständen ausgewählt, Hofleute, Richter, Gelehrte, Akademicker, u. s. w. Man hatte sich an einer, wie gewöhnlich, wohl besezten Tafel recht wohl seyn lassen. Beym Nachtisch erhöhte der Malvasier und der Capwein die Fröhlichkeit, und vermehrte in guter Gesellschaft jene Art Freyheit, die sich nicht immer in den genauen Schranken hält.
Man war damals in der Welt auf den Punkt gekommen, wo es erlaubt war, Alles zu sagen, wenn man den Zweck hatte Lachen zu erregen. Chamfort hatte uns von seinen gotteslästerlichen und unzüchtigen Erzählungen vorgelesen, und die vornehmen Damen hörten sie an, ohne so gar zu dem Fächer ihre Zuflucht zu nehmen. Hierauf folgte ein ganzer Schwall von Spöttereyen über die Religion. Der eine führte eine Tirade aus der Pücelle an; der andere erinnerte an jene philosophischen Verse des Diderot, worum er sagt: ›mit den Gedärmen des lezten Priesters schnüret dem lezten König die Gurgel zu‹; und alle klatschten Beyfall zu. Ein anderer steht auf, hält das volle Glas in die Höhe, und ruft: ›Ja, meine Herren! ich bin eben so gewiß, daß kein Gott ist, als ich gewiß bin, daß Homer ein Narr ist‹; und in der That, er war von dem einen so gewiß, wie von dem andern, und man hatte gerade von Homer und von Gott gesprochen, und es waren Gäste da, die von dem einen und von dem andern Gutes gesagt hatten.
Die Unterredung wurde nun ernsthafter. Man spricht mit Verwunderung von der
Revolution die Voltaire bewürkt hat, und man stimmte
ein, daß sie der vorzüglichste Grund seines Ruhms sey. Er habe seinem Jahrhundert
den Ton gegeben; er habe so geschrieben; daß man ihn in den Vorzimmern, wie
in den Sälen liest. Einer von den Gästen erzählte uns in vollem Lachen, daß
sein Frisirer ihm, während er ihn puderte, sagte: ›Sehen sie, mein Herr! wenn
ich gleich nur ein elender Geselle bin, so hab ich dennoch nicht mehr Religion
als ein anderere‹. — Man schloß daß die Revolution unverzüglich vollendet seyn
würde, und daß durchaus Aberglauben und Fanatismus der Philosophie Plaz machen
müsten; man berechnete die Wahrscheinlichkeit des Zeitpunkts, und wer etwa von
der Gesellschaft das Glück haben würde, die Herrschaft der Vernunft zu erleben.
Die älteren bedauerten, daß sie sich dessen nicht schmeicheln dürften. Die Jüngern
freuten sich über die wahrscheinliche Hofnung, daß sie dieselbe erleben würden;
und man gratulirte besonders der Akademie, daß sie das grose Werk vorbereitet
habe, und der Hauptort, der Mittelpunkt, die Triebfeder der Freyheit zu denken
gewesen sey. - La Harpe, nach (
still
)
Akademie (der Dummheit) Auf dem Dach flattert eine schwarze Fahne, die alles Licht verschluckt und nichts reflektiert. In eine Wolke gehüllt, liest die göttliche Dummheit auf dem Fries entlang der Kuppel ihre eigene Geschichte: Lachende Menschen heben Löcher aus, um darin die aufgebuddelte Erde zu vergraben.
In der Galerie des Akademiegebäudes stehen auf einer Reihe von Sockeln marmorne Statuen, darunter eine in einen Fischschuppenmantel gekleidete Figur, eine Frau mit Augenbinde und einem Rad in der Hand, die auf einer schiefen Ebene hockt, sowie ein Mann mit einem Schweinskopf.
Über der Eingangspforte hängt das Wappen der Dummheit: ein Schild mit einem Blasebalg, flankiert von einem Pfau und einem Esel. In der Helmkrone nistet ein Papagei. Glasmalereien zeigen eine Sphinx und darunter den Schriftzug:
Wer ist intelligent genug, seine eigene Dummheit zu begreifen?
An den Wänden der Eingangshalle ist eine von Schmeißfliegen und Wespen heimgesuchte Menge Namenloser abgebildet, die einer wirbelnden Fahne hinterhereilt. Durch den monumentalen Treppenschacht, in dessen Mitte sich Prudentia im Spiegel betrachtet, betritt der Dummschaft-ler einen kreisrunden Saal. Das gigantische Gewölbe wird von mythologischen Dummköpfen getragen: von einigen Giganten, dem Zyklopen, Epimetheus, König Midas und einem Mann mit einem Stein im Mund. Die hohe Decke ist mit einer Apotheose der Dummheit bemalt, solcherart, daß das Dach herabzustürzen scheint.
An der Wand prangt eine Weltkarte, gespickt mit Hunderten von Fähnchen, die sprichwörtlich dumme Orte und Landstriche wie Schilda, Gotham und Ostfriesland markieren. Neben einem Eselsschatten sind ein irischer Krug, dessen Henkel sich auf der Innenseite befindet, und eine lockere Schraube ausgestellt. Auf einem Kalender sind der i. April und n. November umrandet, dazu jeder Mittwoch, die Fornacalia im Februar, das Geburtsdatum des heiligen Polykarp und Sankt Matthias, der Schalttag, an dem das Delirieren gestattet ist. An den Rand sind astrologische Zeichen gekritzelt - wer im Mai oder unter dem sechzehnten Grad des Leo geboren wird, ist dumm.
Der Fußboden ist übersät mit Instrumenten von Schädelmessern, einem Modell der hohlen Erde, Karten von Atlantis, Utopia und Lemurien. An allen Objekten hängen Schildchen mit Texten, Jahreszahlen oder Zeichnungen.
Der Besucher folgt einem Pfad, der an Flora und Fauna der Dummheit entlangführt: ein Käfig mit einer Gans, eine Eule auf einem Baumstumpf, ein Fisch im Glas. Eine Fledermaus flattert durch den Raum. Auch läuft ein kopfloses Huhn umher. Unter dem Zipfel eines roten Vorhangs, auf dem mit Goldfaden eine Krone gestickt ist, schaut eine Sau hervor. Diese und andere Tiere (die meisten von ihnen eßbar und domestiziert) bevölkern zusammen den törichten Tiergarten, das bestiarium stupidum. Der Spaziergang führt des weiteren an einem Mohnstrauß, Brombeerbüschen, einem Ahorn, einem Geranientopf und einem Kasten mit einem Mandelbaum vorbei. Unterwegs entdecken wir auf einem Sofa eine Blondine, die einem Macho schöne Augen macht. Im Hintergrund singt ein Chor a cappella den Song Stupid Cupid. Schließlich landet der Besucher in der Bibliothek der Dummheit. Ein Holzkopf füngiert als Buchstütze für Standardwerke über die Dummheit:
— Von der Wollust der Dummheit
— The
Anatomy of Error
— Der Begriff der Dummheit bei Thomas
von Aquin und seine Spiegelung in Sprache und Kultur
— La
folie dans la raison pure
— Über die Dummheit. Eine Umschau
im Gebiete menschlicher Unzulänglichkeit. Mit einem Anhange: Die menschliche
Intelligenz in Vergangenheit und Zukunft
— Le leggi fondamentali
della stupidità umana
— Die Onomasiologie der Dummheit
- Matthijs van Boxsel, Enzyklopädie
der Dummheit. Berlin 2001
Akademie (5) Zu der Zeit, als sich
der Faschismus auszubreiten begann, gründete in Canicatti, einem größeren Ort
in der Provinz Agrigent, ein geistvoller Mann eine literarische Akademie ganz
eigener Art: die nach dem Beschluß ihrer Mitglieder weltlich orientierte »Akademie
Parnaß«, welche einen Hund im Wappen
führte, der über dem (natürlich lateinischen) Spruch »Dieser Hund ist ein Löwe«
ruhte. Emblem und Motto sind angeblich auf den Umstand zurückzuführen, daß die
örtliche Druckerei nur ein Hundebild anzubieten hatte. Als Sitz dieser Akademie
wählte man eine Garage für Leichenwagen. Die Mitglieder
wurden in zwei Klassen unterteilt: in die höheren Arkadier und die niederen
Arkadier. Zu den niederen Arkadiern gehörten Pirandello und Marinetti;
die Klasse der höheren Arkadier bestand aus den zahlreichen einheimischen Poeten,
die reihum gebührend gefeiert und gekrönt wurden. Um jedoch in den Kreis der
Dichter, das heißt der höheren Arkadier, aufgenommen zu werden, mußte man bestimmte
Bedingungen erfüllen, die in einer Liste von zehn Punkten aufgeführt waren:
»Poet ist, wer...«, Artikel eins bis zehn. Der Schlußartikel besagte, ein Dichter
sei, wer das Unmögliche möglich
machen wolle. Und dieser Artikel gab den faschistischen Behörden Gelegenheit,
sich mit der Akademie zu befassen. Denn Agrigent hatte einen neuen Polizeipräfekten
bekommen, einen ehemaligen General (es war in den Jahren 1926/27), einen strammen
Erzfaschisten, der in einer Rede versprach, er werde das Unmögliche möglich
machen. Die Akademie verlor keine Zeit, ernannte ihn zum Mitglied und schickte
ihm seine Ernennungsurkunde zum höheren Arkadier. -
(scia)
Akademie (6) Techniken heute zur gedankenkontrolle könnten stattdessen zur befreiung verwendet werden. Mit programmierten tonbandgeräten und hochempfindlichen kehlkopfmikrophonen könnten wir einen einblick in die natur menschlichen sprechens erhalten und das wort zu einem nützlichen werkzeug machen anstatt zu einem instrument der kontrolle in der hand einer falsch informierten und falsch informierenden presse. Heute werden sprachtechniken benutzt um zuverlässigere programmierte verfahrensweisen der meinungskontrolle und maniputation zu erreichen das ist der „propagandakrieg". Der CIA gibt kein geld weg für nichts. Er gibt geld für meinungskontrolle In bestimmte richtungen aus. Meinungskontrolle ist eine technische operation die über eine anzahl von jahren sich ausgebreitet hat. Zuerst eine bevölkerungsschicht — schicht „abrichtung" ist angelegt mehr auf wörter zu reagieren als sich auf wörter zu beziehen. Graf Korzybski der General Semantics abfaßte pflegte seine vorlesung damit zu beginnen daß er auf einen stuhl zeigte und sagte "Was immer das ist es ist kein stuhl."
Das heißt das objekt stuhl ist nicht die gesprochene oder geschriebene bezeichnung stuhl. Er sah die verwirrung zwischen bezeichnung und objekt dem „ist der Identität" als grundlegende schwache stelle im westlichen denken an diese schwache stelle wird bewußt erhalten durch die praktiker der meinungskentrolle. Sie werden in den subventionierten zeitschriften eine eigenartige prosa ohne bilder (images) finden. Wenn ich das wort „stuhl" sage sehen sie einen stuhl. Wenn ich „die gleichzeitigkeit von gesellschaftlicher trägheit und ambivolentem schmutz unerkannten totalitären Systems" sage sehen sie nichts. Es ist bloße abfassung von wörtern um die leser auf wörter reagieren zu lassen. So „abgerichtete" werden vorhersehbar auf wörter reagieren. Die so beschaffene abrichtung ist undurchlässig für tatsachen.
Das trainingsziel der akademie ist genau die autlösung der meinungskontrolle
der student wird angeleitet sich tatsachen anzusehen vor der formulierung eines
sprachlichen musters. Das anfangstraining von nichtchemischen rnethoden der
bewußtseinserweiterung würde zwei jahre dauern. Während dieser zeit würde der
student ersucht werden von allen drogen eingeschlossen alkohol abstand zu nehmen
da körperliches wohlbefinden für die verringerung geistigen aufgestörtseins
wesentlich ist. Nach dem grundtraining würde der student auf drogentrips vorbereitet
sein um gebiete zu erreichen die im gegenwärtigen zustand unseres wissens schwierig
zu erklären sind. Das vorgeschlagene programm ist im wesentlichen eine entwöhnung
von innerer furcht und innerer kontrolle eine befreiung
des gedankens und der energie eine neue generation auf das abenteuer des raumes
vorzubereiten. Angesichts dieser eröffneten möglichkeiten bezweifle ich ob viele
junge leute nach destruktiven drogen verlangen werden. Denken sie daran junk
hält sie hier im junkiefleisch fest auf dieser erde wo die apotheke am piccadilly
die ganze nacht geöffnet hat. Sie können sich unter wasser mit einer taucherausrüstung
keinen raum schaffen. - William S. Burroughs, Akademie
23 - Eine Entwöhnung. Nach: Acid. Neue amerikanische Szene. Hg. Rolf
Dieter Brinkmann, Ralf-Rainer Rygulla. Frankfurt am Main 1978 (zuerst 1969)
|
|