rack
Wir sahen ein Schiff vor uns, dessen gekappte Wanttaue noch in ihren Püttingen
hingen. Der Rumpf schien unversehrt, und der Untergang mußte sich vor wenigen
Stunden nur abgespielt haben. Drei Stümpfe, in einer Höhe von zwei Fuß über
der Brücke abgeschlagen, zeigten, daß das Schiff seine Masten hatte opfern müssen.
Aber es hatte sich seitwärts geneigt und so mit Wasser gefüllt. Noch immer hatte
es backbord Schlagseite. Ein trauriges Bild bot dieser gesunkene Schiffskörper,
aber trauriger noch der Anblick der Leichname, die im Tauwerk verstrickt hingen.
Ich zählte vier - vier Männer, von denen einer noch aufrecht stehend das Steuerruder
hielt. Dann eine Frau, die nur halb aus der Luke des Hinterdecks herausgekommen
war und ein Kind trug. Die Frau war jung. Im hellen Licht des Nautilus konnte
ich ihre Züge, die das Wasser noch nicht entstellt hatte, erkennen. Während
die Arme des Kindes den Hals der Mutter umschlangen, hatte sie mit äußerster
Anstrengung das arme Ding über ihren Kopf gehoben. Die vier Matrosen sahen schrecklich
aus. In den Zuckungen des Todeskampfes hatten sie krampfhaft versucht, sich
von den Tauen zu befreien, die sie an das Schiff fesselten. Allein das klare, ernste Gesicht des Steuermanns war voller Ruhe.
Die grauen Haare in der Stirn, hielt er das Steuer umklammert und schien seinen
ausgestorbenen Dreimaster noch in den Tiefen des Ozeans zu lenken.
Welch ein Anblick! Das Bild des gerade abgesunkenen Wracks wie die Photographie
eines Schiffbruchs in seiner letzten
Minute vor Augen, verstummten wir. Klopfenden Herzens sah ich fette Haifische
mit gierigen Augen schon herbeischwimmen, angelockt von Menschenfleisch.
- Jules Verne, Zwanzigtausen Meilen unter Meer. Zürich 1976 (zuerst 1870)
Wrack (2) Am oberen Ende des Großmaststumpfes, etwa zehn Fuß über dem Deck, war etwas angenagelt, was aussah wie ein Ärmel. Wahrscheinlich war es der Rest einer Jacke, die dort von der Mannschaft als Signal befestigt worden war. Inzwischen hatte der Wind sie zerrissen und fortgeweht. Am Hackbord angelascht und seitwärts hinübergelehnt, standen drei dunkle, grüne, grasige Gestalten, die mit jedem Schlingern langsam hin und her schwankten, im übrigen aber ohne Bewegung waren. Ich sah, wie der Kapitän sein Glas dorthin richtete, und hörte ihn schließlich sagen: „Die müssen schon lange Zeit tot sein." Es waren Seeleute, die sich vor langer Zeit sicherheitshalber an dem Hackbord festgelascht hatten und dort verhungert waren.
Erfüllt von dem furchtbaren Anblick dachte ich, der Kapitän würde sicherlich
ein Boot aussetzen, um die Leichen zu bestatten und etwas über den Schoner in
Erfahrung zu bringen. Aber wir drehten überhaupt nicht bei, sondern verfolgten
unseren Kurs weiter, ohne auch nur den Namen des Schoners zu ermitteln. -
Herman Melville, Redburn. Seine erste Reise.
In: H. M., Redburn. Israel Potter. Sämtliche
Erzählungen.
München 1967 (zuerst 1849)
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