»Warum gehst du dann nicht zu den Toten, wenn sie dir so gut gefallen, he?«
»Das
würde ich auf der Stelle tun, wenn ich nur wüßte, wie«, antwortete Daniel.
»Vielleicht solltest du sie zum Essen bitten«, erwiderte die Frau mit scharfer Zunge.
Da sprang Daniel auf, lief hinaus und rief in die Nacht: »Männer, Weiber, Kinder, Soldaten, Matrosen, ihr alle, für die ich Särge gemacht habe, ich lade euch für heute abend in mein Haus ein. Ich will ein großes Fest geben.«
Die Leute, die nahe dem Sarg standen, sahen, wie der Tote lächelte, so als habe er die Einladung gehört.
Die Gesellschaft verlief sich eilig, und Daniel Crowley fuhr zu seinem Laden zurück, so schnell sein Esel traben konnte.
Auf dem Weg nach Haus kam er an einer Schenke vorbei. Da hielt er kurz an, ging hinein, kaufte eine große Flasche Whiskey und steckte sie in die Tasche. Dann fuhr er weiter. Die Werkstatt hatte Crowley verschlossen und die Fensterläden zugemacht, ehe er weggegangen war. Als er sich nun aber seinem Haus näherte, sah er, daß die Läden aufgestoßen worden waren, und in allen Zimmern brannte Licht. Da fürchtete er, es könnte bei ihm eingebrochen worden sein. Er sprang vom Wagen und verbarg sich hinter einem Mauervorsprung an der Front des Gebäudes, das seinem Laden gegenüberlag, um zu beobachten, was drüben vorging. Da sah er, wie Männer, Frauen und Kinder in sein Geschäft strömten, aber niemand kam heraus. Nach geraumer Zeit schlug ihm jemand auf die Schulter und sagte: »Ach hier steckst du. Wir warten schon auf dich. Eine Schande, seine Gäste so zu behandeln. Komm jetzt endlich.«
Crowley ging mit dem Mann zu dem Laden hinüber, und als er auf der Schwelle stand, sah er, daß der Raum voller Menschen war. Einige von ihnen waren Nachbarn, die er früher gekannt hatte. Alle tanzten, sangen und vergnügten sich. Er starrte sie immer noch verblüfft an, als ein Mann auf ihn zutrat und zu ihm sagte: »Du scheinst mich nicht zu erkennen, Daniel Crowley.«
»Ich weiß nicht«, sagte Daniel, »sollte ich dich kennen?« »Bist du aber vergeßlich«, sprach der Mann, »ich bin der erste, für den du einen Sarg gezimmert hast. Mit mir hat dein Gewerbe angefangen.« Bald kam ein anderer dazu, ein Lahmer, und auch er fragte: »Erkennst du mich nicht, Daniel Crowley?« »Nicht daß ich wüßte!« »Ich bin dein Neffe. Es ist noch nicht lange her, daß ich gestorben bin.«
»Ach, jetzt erkenne ich dich, du lahmst ja. In Gottes Namen«, sagte Crowley zu seinem Neffen, »wie werde ich nur all diese Leute hier wieder los? Wie spät ist es eigentlich?« »Noch früh. Es ist gerade elf Uhr.«
Crowley wunderte sich. Nach seinem Gefühl mußte es viel später sein.
»Nimm sie nur freundlich auf«, riet ihm der Neffe, »sei nett zu ihnen und richte alles so ein, daß sie sich wohl fühlen.« »Ich habe kein Geld bei mir, um Speisen oder Getränke für sie zu kaufen, und außerdem sind doch alle Läden längst geschlossen«, antwortete Crowley. »Tu, was du kannst«, sagte der Neffe. Das Tanzen und Scherzen ging weiter, und wie sich Daniel Crowley umsah, bemerkte er eine Frau, die in der entlegensten Ecke stand. Sie tat beim Tanz nicht mit und schien sehr scheu zu sein.
»Warum ist diese Frau so schüchtern — offenbar hat sie Angst«, sagte Crowley
zu seinem Neffen, »warum tanzt sie nicht mit und vergnügt sich nicht, wie die
anderen?« »Sie ist noch nicht lange tot. Und ihr Sarg ist noch nicht bezahlt.
Nun fürchtet sie sich, du könntest die Rechnung bei ihr einnehmen, und die übrigen
Gäste könnten erfahren, daß sie bei dir Schulden hat«, erklärte ihm der Neffe.
Der beste Tänzer der Gesellschaft war ein Pfeifer mit Namen John Reardon aus
Cork, und der Fiedler war ein gewisser John Healy. Er hatte seine Fiedel nicht
mitgebracht, aber er behalf sich auf andere Art. Er rieb sich das wenige Fleisch,
das er auf den Knochen hatte. Auf und nieder rieb er auf seiner Brust, und jede
Rippe gab einen anderen Ton, und derart machte er die schönste Musik, die Daniel
Crowley je gehört hatte. Nach einer Weile folgte die ganze Gesellschaft seinem
Beispiel. Sie tanzten die Jig und bliesen dazu auf ihren nackten Knochen. Crowley
tanzte mit, was blieb ihm anderes übrig, aber er mußte allen Mut zusammennehmen,
um nicht vor Furcht zu sterben, und er dachte: wenn es doch nur bald Morgen
wäre, doch bis dahin war noch viel Zeit.
Da gab es einen Mann, John Sullivan,
der ihm besonders auffiel. John war zweimal verheiratet gewesen, und er hatte
seine beiden Frauen mitgebracht. Crowley sah, wie er mit seiner zweiten Frau
eine Polka tanzte, und die beiden hopsten so vergnügt umher, daß die ganze Gesellschaft
Beifall klatschte und vor Vergnügen lachte.
Da wurde Sullivans erste Frau eifersüchtig. Sie lief zu ihm hin und sagte, sie habe das Vorrecht.
»Hört euch dieses Weibsstück an«, rief die zweite Frau, »das Recht ist voll
und ganz auf meiner Seite. Als er mich heiratete, warst du schon lange tot,
und er war frei, und außerdem tanze ich besser als du, ob es dir nun paßt oder
nicht.« »Hüte deine Zunge«, keifte die erste Frau, »sicherlich hast du dir,
ehe du auf dieses Fest kamst, von einer anderen die Schienbeine borgen müssen,
um mich hier auszustechen.«
Sullivan betrachtete seine beiden Frauen und
fragte dann sein Zweites Weib:
»Sind das also nicht deine Schienbeine, mit denen du hier bist?« »Nein, ich habe sie mir geliehen ... von der Frau eines Nachbarn.«
»Und wie heißt diese Frau, von der du sie hast?« wollte Sullivan wissen.
»Catherin Murray. Und sie war ein ehrliches Weib zu Lebzeiten.«
»Aber warum bist du nicht auf deinen eigenen Beinen hier?« »Oh, ich hatte mir zu Lebzeiten einiges zuschulden kommen lassen. Da bestrafte man mich. Es hieß, ich dürfe solange nicht auf ein Fest oder einen Ball gehen, bis mir jemand seine Schienbeine leihe.«
Sullivan wurde wütend, als er hörte, daß die Schienbeine, mit denen er getanzt hatte, einer dritten Frau gehörten, und er versetzte seiner zweiten Frau einen Schlag, der sie zu Boden warf.
Die Frau hatte aber Verwandte unter den anwesenden Geistern, die wurden aufgebracht und sprachen: »Das kann man nicht auf sich beruhen lassen. Wir müssen von Sullivan Genugtuung erhalten!«
Sie sprangen auf, und da sie keine Keulen oder andere Waffen bei sich hatten, rissen sie sich die linken Armknochen aus und tbegannen damit auf Sullivan einzuschlagen. Im Augenblick war eine wilde Prügelei im Gange. Während sich dies zutrug, stand Daniel Crowley am Ende des Raumes, zitternd und frierend und bedachte, daß nun wohl sein letztes Stündlein geschlagen haben werde.
Sullivan, der die Schläge abzuwehren versuchte, war zurückgewichen, kam auf
Crowley zu und trat ihm auf den Fuß. Voller Zorn versetzte Daniel Sullivan einen
Faustschlag, der dem Geist den Schädel abschlug, welcher zu Boden fiel und durch
das Zimmer kollerte. Das kopflose Gespenst drang auf Crowley ein, rang mit ihm
und versuchte, ihn zu erwürgen - (
irm
)
Auf diese tödliche Beleidigung entgegnete Kapitän Madwell nur kühl: «Sir, ich lade Sie ein, an dieser Unternehmung teilzunehmen. Ein berittener Offizier wäre eine ausgezeichnete Zielscheibe. Ich hege nämlich schon lange die Überzeugung, es sei besser, Sie wären tot!»
Die Kunst der Schlagfertigkeit wurde in militärischen Kreisen schon um 1862
gepflegt. - Ambrose Bierce, Der Gnadenstoß. In:
A.B., Der Gnadenstoß. Reinbek bei Hamburg 1965 (rk 184)
Einladung (3) Wir hatten alle Einsamen für
den Heiligen Abend eingeladen; und alle haben abgesagt; der »Weihnachtsmelancholie«
wegen; oder weil man es nicht fertig bringe, in einer Familie
zu sein; oder um den Heiligen Abend zu verschlafen.
- Jochen Klepper, Unter dem Schatten deiner Flügel. Aus den Tagebüchern
der Jahre 1932 - 1942. Stuttgart 1956
Einladung (4)
Come on along with the Black Rider So come on in |
-
Tom Waits
, "The Black Rider"
Einladung (5)
- Dada Berlin.
Stuttgart 1977. Hg. Hanne Bergius, Karl Riha
Einladung (6)
VIER AUFFORDERUNGEN AN EINEN MANN VON VERSCHIEDENER SEITE ZU VERSCHIEDENEN ZEITEN Hier hast du ein Heim Da ist der Schlüssel Du kannst mitarbeiten im Hof Das Bett ist noch ganz frisch Das ist die Kammer |
- (
breg
)
Einladung (7)
- (
erot
)
Einladung (7) Ich
bin alt und nehme mir die Freiheit, meinen Impressionen zu folgen, soweit ich
mir noch welche gestatte. Hierzu gehört, daß ich mir erlaube den Wunsch auszusprechen,
Ihnen einen Besuch zu machen. Damit Sie nicht erschrecken,
teile ich Ihnen mit, daß ich nicht esse und nicht trinke und, was ich rauche,
selber mitbringe, sofern man bei Ihnen rauchen darf. Vor allem aber: ich sitze
nicht herum, gehe sehr bald wieder, es würde mir nur die Erfüllung eines spontan
entstandenen Wunsches sein, einen unmittelbaren Eindruck von einer Schriftstellerin
zu bekommen, die so ausgezeichnete Formulierungen findet und so viel gedankliche
Problematik kennt. Ich will mich aber auch bei Ihnen nicht einschleichen, darum
sende ich Ihnen anbei noch ein kleines neues Buch höchst problematischen Charakters:
»Drei Alte Männer«, das jüngsten Datums ist. Ich bin mir vollkommen klar darüber,
daß ich - wie kürzlich ein Kritiker schrieb - »der große Umstrittene und Überlebende
zweier Weltkriege« bin, und das möchte ich durchaus bleiben. - Gottfried Benn
an Margret Boveri, 20. April 1949. In: G.B., Das gezeichnete Ich. Briefe aus
den Jahren 1900-1956. München 1962 (dtv 89)
Einladung (8) Es war Morgen, und die
Königin von Sheba war hinausgegangen, um in Andacht der Sonne zu huldigen. Plötzlich
verdunkelten die Vögel das Licht. Die Königin erhob ihre Hand und raffte ihr
Gewand auf, sie war äußerst erstaunt. Dann ließ sich der Wiedehopf nahe bei
ihr nieder. Als sie sah, daß ein Brief an seinem Flügel befestigt war, machte
sie ihn los und las ihn. Und was stand in dem Brief? »Von mir, König Solomon!
Friede mit dir, Friede mit den Edlen deines Reiches! Wisse, daß Gott mich ernannt
hat zum König über die Tiere des Feldes, die Vögel der Luft, die Dämonen, die
Geister und die Gespenster. Alle Könige des Ostens und des Westens kommen, um
mich zu begrüßen. Wenn du kommen und mich treffen willst, will ich dir große
Ehre erweisen, mehr als irgendeinem der Könige, die mir aufwarten. Aber wenn
du nicht mir huldigen willst, werde ich Könige, Legionen und Reiter gegen dich
aussenden. Du fragst, wer sind diese Könige, Legionen und Reiter des Königs
Solomon? Die Tiere des Feldes sind meine Könige, die Vögel meine Reiter,
die Dämonen, Geister und Schatten der Nacht meine Legionen. Die Dämonen werden
dich in deinen Betten in der Nacht erwürgen, während die Tiere dich im Felde
schlagen, und die Vögel werden dein Fleisch verzehren.« - Jüdische
Legenden, nach: Märchen aus dem Land der Königin
von Saba. Hg. Inge Diederichs. Köln 1987
Einladung (9)
Einladung (10) Montag findet die Zeremonie statt. Grippe oder nicht. Scheißegal!
Entschuldigen Sie, daß ich Sie so lange habe warten lassen. Hier das Programm:
1. Ich fange genau um 4 Uhr zu brüllen an. Kommen Sie also gegen 3.
2. Um 7 Uhr orientalisches Diner. Es wird Menschenfleisch serviert, Bourgeois-Hirn, außerdem in Rhinozerosbutter gedämpfte Tigerinnenklitoris.
3. Nach dem Kaffee Wiederaufnahme der punischen Brüllerei bis zur Erschöpfung der Zuhörer. Sagt Ihnen das zu?
Der Ihre. P. S. - Pünktlichkeit und Geheimnis!
- Flaubert an die Brüder Goncourt, nach
(flb)
Einladung (11) LIVIANA: Bravo, Glonnensalz. Die welt wäre nicht schön, hätte sie nicht hin und wieder einen zeitgerechten überschwang.
CATULLE : Glauben sie mir, Glonnensalz, sie kommen alle; auch dann, wenn sie niemand riefe... Frisch zu, ihr guten und bösen, ihr träume und tage, ihr morgen und nächte, ihr fische und vögel, ihr dunklen, ihr heitern, ihr goldenen schalen, ihr faulen kerne, herbei, herbei! Hierher zum liebesbankett, ihr wunden und brandmale, ihr keuschen und lüsternen, ihr seidenen kleider, ihr linnenen hemden, indianer und trapper, wachslichter, sternbilder, ehebrecherinnen, rubensbilder, duellanten und handschuhe, lords und löwenmähnen, ihr guten kinderstuben und ihr delfinenschwärme, ihr pantomimen und kandelaber, ihr geköpften und gehenkten, ihr gespießten und geschundenen, herbei, herbei, wir bitten euch alle zum tanz in dieses haus, kommt heraus aus den blumen und bäumen wie die vögel Amerikas!
GLONNENSALZ: Auf condorflügeln sollen sie kommen und bis morgen früh meine
gäste sein - solange kann ich meine gute laune versprechen ... -
(hca)
Einladung (14) -
Delaney and Bonnie & Friends, mit Duane Allman -
Youtube
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