Vase  Zwei Hände legten sich um ihren Hals und drückten ihr die Luft ab. Nieves Arbós versuchte zu schreien, aber die Daumen drückten schon ihre Luftröhre zu, so daß sie keinen Ton herausbrachte. Er ging näher auf sie zu, sie wich zurück, verlor ihre Schuhe, sie stolperten, rissen das Möbelstück in der Diele um, das Porzellangeschirr zersplitterte am Boden. Sie taumelten durch den Flur, bis sie in der Nähe der Wohnzimmertür zu Boden stürzten. Der Mörder fiel bäuchlings auf sein Opfer. Der Griff der Hände, die sich um ihren Hals klammerten, lockerte sich, und dann ertönte der Schrei, den die Nachbarin gehört hatte. Der Südamerikaner geriet in Panik. Er gab seinen Versuch, sie zu erwürgen, auf. Es war schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte. Er legte seine Hand auf die linke Wange des Opfers und stieß ihren Kopf brutal gegen die Türschwelle. Er muß das vier, fünf oder sechs Mal gemacht haben, um Nieves Schädel zu brechen, um Knochen zum Knacken, das Blut zum Fließen zu bringen. Wahrscheinlich hat sie ihm sein Vorhaben durch ihren Widerstand unfreiwillig erleichtert: Durch ihren Versuch, ihren Kopf von der Türschwelle zu heben, war der Aufprall umso heftiger. Schließlich verdrehte Nieves die Augen und wurde zu einer leblosen Marionette. Und aus dem ersten Blutfleck auf dem Teppich war schon eine Lache geworden.

Aber sie atmete noch. Der Mörder drehte sichzu einem Regal um, das voller Zierat stand, ergriff die Zinnvase und schlug wie besessen auf dieses schöne Gesicht ein, auf diese honigfarbenen Augen, die so viele Männer bewundert hatten, auf diese vollkommenen Zähne, auf diesen klugen Kopf.  - Andreu Martín, Bis daß der Mord euch scheidet. Bühl/Moos - Baden-Baden 1992

Vase (2)  Man hörte auf Bebuqulns leise, trockene Stimme, der von seiner Liebschaft erzählte.

»Der Abschied von der Symmetrie.

Meine letzte Geliebte stand im Garten zur sympathischen Kurve - ist eine Vase aus Knidos. Ein reiches Weib besaß sie, konnte sie aber nicht um sich ertragen, weil sie die Konkurrenz mit der Vase nicht bestreiten konnte. Sie stieß bedeutend mit der Zunge an und sah ästhetische Jünglinge bei sich. Um Bildung zu markieren, zeigte die Dame den Jünglingen stets die knidische Vase. Also die Jünglinge verglichen kunstgewerblich die Dame mit der Vase. Der Pott hatte unbedingt die Form eines schlanken Weibes, die Dame zog dabei den kürzeren und kam mit der Liebe zur Kunst nicht auf ihre Kosten. Diese Vase ruinierte mich fast, meine Sinne waren ziemlich abstrakt gestimmt. Ich suchte wochenlang nach der Frau, welche die Proportionen der Vase habe. Selbstverständlich vergeblich. Höchstens die Puppe in Euphemias billiger Erstarrnis. Aber das stimmte alles nicht. Im Traum stieg ich zur Vase und zerbrach sie regelmäßig. Das Gefäß machte mich zum Klassizi-sten, zum symmetrisch geteilten Stilisten. Da fand ich's. Die Symmetrie ist wie die Platonische Idee eine tote Ruhe. Böhm sagte mal, ich sollte mir ein Bein amputieren. Das war brutal, aber ganz richtig. Doch die Sache war mir damals nicht klar, die Symmetrie ist langweilig wie Mechanik. Zuletzt ließ ich mir die knidische Vase schenken. Damit war der Dame des Hauses und mir gedient. Nach einer ziemlich schlimmen Nacht schlug ich den Topf entzwei. Es ging ums Leben. Seitdem bin ich Romantiker geworden.«   - (beb)

 

Gefäß Blume

 

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