ngetüm
Mit einem Freund allein, anders als mit
einer Frau, fühlte ich mich oft nicht am Platz, und mochte
ich mich auch voll Freude zu ihm auf den Weg gemacht haben. Angesichts seiner
schaute ich woandershin. Etwas stieß mich aus meinem Enthusiasmus für den andern
und verdrehte mir den Kopf. (Die Dichterin Marina Zwetajewa, an deren Exilgasse
der dreißiger Jahre ich kürzlich hier in der Gegend vorbeikam, habe, so einer
von ihren Freunden, ihm in seiner Anwesenheit immer nur das Profil gezeigt.)
In der Gesellschaft des andern erschien mir unsere Freundschaft immer wieder auf nichts gegründet. Die Liebe war vielleicht auch ein Schwindel, aber ein handfester, Freundschaft dagegen ein Irrglaube? Kam denn nicht oft nach einem Freundschaftsgerede aus einem Mund, der wahr sprach, die Feststellung, er habe keinen Freund, »mein einziger Freund ist tot«, oder »mein Freund, das ist mein Vater gewesen«, worauf die anderen nichts mehr zu sagen hatten ?
Auch bei mir wurde in Momenten der Gedanke, die Zweisamkeit unter Freunden
beruhe auf einer Übereinkunft und sei Einbildung, derart übermächtig, daß ich
mich beherrschen mußte, in jeder Bemerkung meines Gegenübers nicht
den Grund zu einem Zwist oder gar dem Zerwürfnis zu sehen. Einmal entfuhr mir
dann so etwas, und mit der Freundschaft war es auf der Stelle aus. Eine Liebe
hätte mit dem Ende zumindest gezögert. Hier gab es nicht einmal ein kleines
Innehalten. Sofort sagten wir uns voneinander los. Es war, als hätten wir beide
nur auf ein Zeichen gewartet, mit unserm Lügenspiel Schluß zu machen. Stärker
noch von seiner Seite als der meinen brach da zwischen ihm und mir eine Feindschaft
aus wie zwischen zwei Ungetümen. - Peter Handke, Mein Jahr in
der Niemandsbucht. Frankfurt am Main 1994
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