tapel   Ich schlug den Mantelkragen hoch, fröstelte etwas)/: die Steinstufen hoch zur Kirche & rechts den Seiteneingang in die "Mondo Cane"-Gruft: 1 Vorraum zuerst, mit 2 rumlatschenden Capuzinern in Kutten & kahlem Kopf, dafür Barte, sie schauten frech der Blick, das fiel mir auf, war zynischabgebrüht, keine Trauer, keine entsetzte Miene, keine leere Gleichgültigkeit, kein Interesse, sie bewachten & handelten mit einer Perversion - im Vorraum: Postkartenständer, Ständer mit Rosenkränzen, Papstbildern, Broschüren über l stigmatisierten Pater, & dazu: Totenköpfe in Nachbildungen, kleine Papstbüsten, Puppen (!) in Zellophankästchen zum Verkaufl/rechts der Eingang zu l schmalen Gang, gewölbt, an dem dann links jeweils die einzelnen Gewölbe liegen, rechts die Außenmauer./Das Licht ist düster, man muß mit den Augen tasten, & tastet mit den Augen zuerst eine Fülle als: Knochenfülle, & vielleicht macht es diese Fülle, die das Empfinden betäubt, stumpf macht, vergessen läßt, was man sieht - Stapel von Köpfen

 Stapel von Beckenknochen, Stapel von Arm & Beinknochen, Stapel von Schulterknochen - alles getrennt, für sich - sortierte Menschenknochen/: ringsum gestapelt, wie l Todeslager, etwas, nein, nichts an 1 Ersatzteillager erinnernd./Das Grauen kommt langsam: ein Grauen über die Perversion, 1 Grauen an das Show-Tod-Business mit Toten, 1 Grauen über Menschen & Ideen, so etwas anzustellen, zu verfertigen- & 1 Ekel, über die Blödheit/Das Verlöschen des Einzelnen in der Totenmasse bis über den Tod hinaus - eine wahnwitzige Besessenheit guckt hervor: die Besessenheit der Idee, der Gemeinschaft/von allen Seiten dringen Menschenknochen aus dem stumpfen Licht auf mich ein: jede individuelle Regung, das spüre ich wohl, soll betäubt werden, runtergeknüppelt - der einzige schauerige Exhibitionismus, den ich kenne (wie traurig dagegen, 1 Zeiger im Park, der sein Geschlechtsteil dem Blick verstohlen, hinter einer öden Aktentasche anbietet, einen Exhibitionisten zu nennen - wo das nur verwirrt, vereinsamt, vor dem Erlöschen der sinnlichen Freude ist - ich begriff: jeder, der nur etwas gegen Sexualität sagt, egal in welcher Form sie sich äußert, hat unrecht, so etwa sagte es 1 x Adorno)/Da war der Tod zu Stukkaturen verarbeitet, da hingen Lampen aus menschlichen Knochen verfertigt - die langen Schienbeinknochen als Halter, muschelige Knochen als Gefäße/es waren braune, torfmullartige Flächen gelassen in den Grüften, worin einige Holzkreuze standen - zwischen gestapelten Gebeinen freigelassener Raum für ausgetrocknete Toten in Ketten, mit Draht an die Mauer festgebunden, da war ein Arm mit einem anderen Arm in 1 Kutte samt Hand zu 1 Kreuz stilisiert/winzige Gelenkknochen waren zu Bögen verarbeitet - hier hat 1 gewütet, der pervertierte vom Leben/ich beugte mich vor & sah aus 1 verstaubten Kutte faserige Gebilde herauskommen, zu einer verschwommenen betenden Gebärde gekreuzt - zusammengebunden mit Draht - ausgetrocknete Haut, die Hände ein wuseliges Gewirr der Zersetzung/von der Decke wollte 1 Gerippe runterstürzen/hinter mir redeten laut und ungerührt 1 holländisches Paar in ihrer puddinghaften Halssprache/sonst war niemand mit im Gang/von oben, aus der Kirche, kamen verwischte pumpende Harmoniumtöne/es roch nach nichts/    - (rom)

Stapel (2) Als ich in die Pubertät kam und gleichzeitig die Taxonomie Linnés studierte, wurde aus dieser Vorliebe eine Faszination. Ich lernte ihren richtigen Namen, Crepidula fornicata - und fand, er sei ein sicherer Hinweis auf etwas ganz Besonderes. Diese spezielle Art war von Linné, dem Vater der Taxonomie, selbst benannt worden, und ich war fasziniert, daß er sie schon durch ihre Namengebung mit Huren in Verbindung gebracht hatte.

Als ich dann das Verhalten von Crepidula fornicata kennenlernte, war ich sicher, den Schlüssel zu ihrem merkwürdigen Namen gefunden zu haben. Denn die Pantoffelschnecke bildet regelrechte Stapel, kleine Tiere aufgeschichtet auf größeren, häufig ein Dutzend oder mehr. Die oben lebenden kleineren Tiere sind immer Männchen, die größeren darunter immer Weibchen. Wer nun erwartet, daß die obersten Männchen wegen ihrer Entfernung vom ersten Weibchen auf ein Leben erzwungener Homosexualität beschränkt bleiben, der sei beruhigt: Der Penis des Männchens ist um einiges länger als der gesamte Körper und kann leicht über ein paar Männchen hinweg ein Weibchen erreichen. Die Crepidula fornicata schien also in der Tat ihrem Hurennamen gerecht zu werden.

Zu meiner großen Enttäuschung entdeckte ich dann, daß der Name des Tieres überhaupt nichts mit Sexualität zu tun hat. Linné hatte die Art nach einigen Exemplaren, die den Schubladen eines Museums entstammten, beschrieben; er wußte nichts von ihrem ungewöhnlichem Verhalten in einer Paarungskette (das beinahe an eine Stockbildung erinnert). Fornix heißt im Lateinischen «der Bogen», und

Eine Crepidula-Paarungskette mit gekennzeichneten Geschlechtern.
Die Tiere an der Basis sind weiblich; die kleineren an der Spitze sind männlich.
Das (mit I bezeichnete) Tier in der Mitte befindet sich gerade im Übergang vom männlichen zum weiblichen Geschlecht.

Linné wählte diesen Namen, um auf den leicht gewölbten Umriß der Schale aufmerksam zu machen.

Meine Enttäuschung führte schließlich ein paar Jahre später zu erneutem Interesse, als ich die Einzelheiten des Sexualverhaltens der Crepidula kennenlernte, und ich fand dieses Tier, auf das ich zuerst durch seinen Namen aufmerksam geworden war, spannender denn je. Denn die Crepidula ist ein natürlicher «Geschlechtswechsler», in der Fachsprache der Biologen: ein sequentieller Hermaphrodit. Kleine Jungtiere reifen zunächst zu Männchen heran und wandeln sich, wenn sie größer werden, zu Weibchen um.   - Stephen Jay Gould, Das Lächeln des Flamingos. Basel, Boston, Berlin 1989

Stapel (3)

  - N.N.

Stapel (4)  Anfangs, als seine Freiheit noch jung war, maß er der Art des Zimmers keine besondere Bedeutung bei, es handelte sich bei ihm ja nur ums Schlafen, und die Bücher brächte er auf dem Sofa allein unter. Später nahm er auch den Schrank in Anspruch. Bald war die Bibliothek beiden entwachsen. Um den schmutzigen Teppich nutzbar zu machen, klingelte er nach dem Stubenmädchen und bat um zehn Bogen reinstes Packpapier. Er breitete es auf dem Teppich aus und über den ganzen Boden; da zum Schlüsse etwas übrigblieb, bedeckte er das Sofa damit und kleidete den Kasten aus. So wurde es für eine Zeitlang zu seiner Gewohnheit, jeden Abend neben dem Essen Packpapier zu bestellen; das alte ließ er des Morgens liegen. Die Bücher türmten sich höher und höher, aber auch wenn sie fielen, schmutzig wurden sie nicht, da alles mit Packpapier belegt war. Wenn er manchmal nachts voller Unruhe erwachte, so hatte er bestimmt ein Geräusch wie von fallenden Büchern gehört.  - Elias Canetti, Die Blendung. Frankfurt am Main  2007 (zuerst 1935)

Stapel (5)

- Georges Pichard

Stapel (6, doppelter)

- Frédéric Fontenoy

 

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