Staatsbegräbnis  Gestern sah ich die Übertragung des Staatsbegräbnisses von Eisenhower in der Kathedrale von Washington: falsche Gotik, ein armseliges, unmajestätisches Kirchenschiff, Strenge, calvinistische Nacktheit, an der mir sonst doch die Kühle, die harte Trockenheit, die Nüchternheit gefällt. Die dichte kleine Herde der Chefs der »freien« Welt fand hier Platz, auf ein paar Reihen Strohstühlen zusammengepfercht wie in einem Dorfkloster, durchsetzt mit fünf oder sechs Beduinentrachten und einigen Uniformen mit Achselschnüren, und leierte, das Psalmenbuch in der Hand, mit verbeulter Weste, kümmerlicher Krawatte und einem undefinierbaren Anflug der fahlen und ausgeblichenen Vetternschaft der Friedhofsprozessionen das alte lutherische Kirchenlied »Ein feste Burg ist unser Gott« herunter. Nichts als Männer in ihrer unschönen Nacktheit, alternde Männer im spärlichen, protestantischen und kalten Licht: die gnadenlose Kamera fing den Wanst von de Gaulle ein, das vorspringende Kinn von Johnson, die Brille von U Thant, die Aufgedunsenheit von Nixon, die leicht krätzige Glatze Irlands, die Warze Pakistans, das ölige Fett Jordaniens. Etwas Fröstelndes, Bedrohtes, Gebrechliches: gebrechlich der Glauben, trotz der festen Burg, gebrechlich die Schicksale, gebrechlich die Hoffnungen auf ein Morgen. Fest und solide waren nur die schwarzen Flecken der einheitlich in Trauer erloschenen Frauen, die aussahen, als würden sie die unverwüstliche Witwenschaft der Welt darstellen.  - (grac2)
 
 

Begräbnis

 

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