chwalbenmutter
Die sahen, wie eine Schwalbe aussieht, die konnten mich eigentlich nicht mit
einer Schwalbe verwechseln. Aber die eine wollte
eben nicht ausfliegen. Ihr Lieblingsplatz war der Steg meiner Brille.
Dann habe ich sie auf meine Schulter gesetzt, sie sang mir kleine Liedchen ins
Ohr, und meine Haare wurden als Federn angesehen. Das
war wirklich entzückend, andererseits war es anstrengend. Denn ich wollte ja
dabei sein und sehen, wenn sie wegfliegt, also war ich von morgens bis abends
nur mit diesem Tier beschäftigt. Als sie dann ausgeflogen war, habe ich zwölf
Stunden am Stück geschlafen, so erschöpft war ich nach dreieinhalb Wochen von
meinem Schwalbenmutterdasein. - Anita Albus, Berliner Zeitung
vom 11./12. März 2006