rojektion
«IMir ist das alles viel zu eng. Große Teile der menschlichen Persönlichkeit
bleiben einfach unberücksichtigt. »
«Ge~nau aus, die-sem Grund», hüpft Rözsavölgyi, «schlagen wir noch
ei-nen ganz ande-ren Test für, Slothrop vor. Wir ent~ wick-eln
für ihn, gerade ei-nen so-genannten ‹projek-tiven› Test. Das bekann-teste
Bei-spiel für die-sen Typ, ist der Klecks-deute-test
von Rorschach. Die Grund-idee, ist, daß die Versuchsperson ei-nem
unstrukturierten Stimu-lus, einem ge-staltlosen
Klümp-chen Erklä-rung, unwillkürlich so-fort eine Struk-tur
aufzu-prä-gen versucht. Die Art, wie, sie ih-ren Klumpen struktu-riert,
spiegelt ihre Be-dürfnisse, ihre ge-heimen Wün-sche, wider - sie
liefert uns, den Schlüssel, zu ihren Träumen,
ihren Gedanken-spie-len, den tief-sten Schichten
ihrer Seele.» Seine Augenbrauen zucken mit Eloquenz,
die Hände fliegen fließend und grazil, nicht unähnlich - wahrscheinlich höchst
bewußt, doch wer wird Rosie die Berechnung vorwerfen wollen - der Gestik seines
berühmtesten Landsmannes, was allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen
zeitigt: z. B. Kollegen, die Stein und Bein schwören, ihn mit dem Kopf voran
die Nordfassade der «Weißen Visitation» hinunterklettern gesehen zu haben. «Insofern
sind, wir also ganz, einer Meinung, Reverend Doktor. Ein Test, wie das, MMPI,
ist für die-sen Zweck nicht, adäquat. Es ist ein struk-turierter
Stimulus. Die Ver-suchsperson kann, bewußt verfälschen oder un-bewußt, verdrängen.
Bei der pro-jektiven Technik kann uns dagegen, nichts was er, be-wußt oder unbewußt,
tun mag, daran hin-dern, das zu erfahren, was wir, erfahren wollen. Wir,
haben die Kontrolle. Er selbst, ist völlig machtlos.» - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
Projektion (2)
Projektion (3) »Eine Person oder ein Tier oder ein Gegenstand ist im Angesicht meiner Apparate gleichsam die Sendestation, die das Konzert ausstrahlt, das Sie am Radio hören. "Wenn Sie den Empfänger für Geruchswellen einschalten, werden Sie den Duft der Narzissen, die Madeleine an der Brust trägt, empfinden, ohne jedoch Madeleine zu sehen. Wenn Sie den Tastwellenbereich einschalten, können Sie ihr Hebkosend über das Haar streichen - das weich und unsichtbar fließt - und wie die Blinden lernen, die Dinge mit den Händen zu erkennen. "Wenn Sie aber die gesamte Empfangsskala spielen lassen, erscheint vor Ihnen Madeleine in vollständiger, reproduzierter, identischer Gestalt. Sie dürfen nicht vergessen, daß es sich um Bilder handelt, die dem Spiegel entnommen sind und mit den Lauten, dem Tastwiderstand, den Geschmacks- und Ge-ruchsqualitäten, der Temperatur auf die perfekteste Art synchronisiert worden sind. Kein Mensch, der ihnen gegenübertritt, wird bereit sein, zuzugeben, daß es Bilder sind. Und wenn gleich unsere eigenen erscheinen werden, sagen Sie mir selbst, ob Sie mir Glauben schenken. Aber Sie werden noch eher der Meinung sein, ich hätte ein Ensemble von Schauspielern engagiert, die sich als unvorstellbar getreue Doppelgänger präsentieren.
Soviel über den ersten Teil des Apparates; der zweite zeichnet auf, der dritte projiziert. Dazu ist weder ein Schirm noch sonst ein Auffangmedium nötig. Die Projektionen werden überall im Raum empfangen, und es spielt keine Rolle, ob Tag ist oder Nacht. Ich bringe der klaren Veranschaulichung ein Opfer und vergleiche die Teile des Apparates unbedenklich mit: erstens einem Fernsehapparat, der Bilder vorführt, die von mehr oder minder entfernten Sendern ausgestrahlt werden, zweitens der Kamera, die auf einem Filmband die im Fernsehapparat erscheinenden Bilder festhält, drittens dem Filmprojektor.
Ich ging darauf aus, die Empfangsleistungen meiner Apparate zu koordinieren
und Szenen aus unserem Leben aufzunehmen: einen Abend mit Faustine, Ausschnitte
aus Gesprächen mit Ihnen; auf solche Art füllte ich ein Album mit sehr haltbaren
und scharf umrissenen Momentaufnahmen, ein Vermächtnis gewisser Momente an andere
Momente, zur Freude unserer Söhne, unserer Freunde und späterer Geschlechter,
deren Lebensstil ein anderer sein wird. Hierbei vertrat ich allerdings die Auffassung,
daß -mochten auch die Reproduktionen von Gegenständen Gegenstände sein, insofern
die Photographie von einem Haus ein Gegenstand ist, der einen anderen vorstellt
- die Reproduktionen von "Heren und Pflanzen niemals Tiere und Pflanzen
sein würden. Ich war überzeugt, daß meinen Scheinbildern von Personen ein Selbstbewußtsein
so wenig mnewohnen könne wie den Personen eines Filmstreifens. Ich erlebte indes
eine Überraschung. Als ich nach langwieriger Arbeit diese Daten harmonisch zusammenfügte,
sah ich mich wiedererschaffenen Personen gegenüber, die zwar verschwanden, wenn
ich den Projektionsapparat ausschaltete, die zwar nur jene vergangenen Augenblicke,
in denen die Aufnahme gemacht worden war, durchlebten und sie, wenn sie abgelaufen
waren, von neuem durchlebten, als seien sie Teile einer Schallplatte oder eines Filmstreifens, welche, abgespielt,
wieder von vorne zu laufen anfingen; und doch waren sie für niemanden von wirklichen
Personen zu unterscheiden (sie bewegten sich in einer Welt, die mit unserer
"Welt zufällig in Berührung getreten war. Wenn wir den Personen, mit denen
wir zusammenkommen, ein Bewußtsein und all das, was uns von bloßen Gegenständen
unterscheidet, zubilligen, so werden wir dasselbe auch den von meinen Apparaten
geschaffenen Personen nicht absprechen können, denn es gibt hierfür kein gültiges
und zwingendes Argument.« -
Adolfo Bioy Casares, Morels Erfindung. München 1965 (zuerst 1940)
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