Fragen wir uns nun, wie gehen Gedanken aus einander hervor? Auf eine doppelte Weise. Einmal folgt aus gegebenen Vordersätzen mit Notwendigkeit der Schlußsatz; so wenn ich die Vordersätze habe: alle Menschen sind sterblich, Cajus ist ein Mensch, folgt notwendig daraus: also ist Cajus sterblich. Dem entspricht im Reiche des Seins der Umstand, daß, wenn die Vorbedingungen gegeben sind, die Folge mit gesetzlicher Notwendigkeit eintritt. Lassen wir z B. einen Stein in der Höhe los, so fällt er notwendig nach der Erde, zufolge des faktisch verwirklichten Schlusses: alle Steine, die man in der Höhe losläßt, fallen nach der Erde, dieser Stein wird in der Höhe losgelassen, also fällt er nach der Erde.
Aber es gibt noch eine andere Weise, wie Gedanken auseinander folgen: Wenn ich sage: "Ins Land, ins Land" ? wem fällt nicht gleich dazu ein: "wo die Zitronen blühen!" Warum? Liegt hier ein Schluß vor? Nein. Man hat oft das Eine hinter dem Andern hergesagt oder gelesen, hört man nun das Eine, kommt das Andere von selbst. ? Ich sah heute einen Mann von hinten und mir fiel gleich seine lange Nase vorn ein; warum? ich hatte früher die lange Nase mit dem Mann oft gesehen; nun ich den Mann wiedersah, fiel mir die Nase von selbst dazu ein. Wer kennt nicht die Assoziation der Ideen! Nichts geht hier mehr nach Schluß, nach allgemein bindender Notwendigkeit vor sich, und doch Alles auch nach einer Regel, welche die ist: was oft mit oder nach einander im Geiste zusammen gewesen ist, zieht nachher eins das andere von selbst im Geiste mit oder nach sich. Soll aber eins recht sicher und bestimmt sich an das andere im Denken assoziieren (knüpfen), so muß es auch möglichst ausschließlich oder vorwiegend oft damit in Beziehung getreten sein, sonst greifen die andern Assoziationen störend ein. Wenn ich einen weißen Fleck sehe, kann ich dabei an einen Schwan, eine Lilie, an Schnee, ein Hemde denken; denn an alle dem habe ich oft die weiße Farbe erblickt; aber eben weil ich an so vielerlei dabei denken kann, denke ich nicht sicher an etwas Bestimmtes von alle diesem; sehe ich aber einen Schwanenkopf und Hals, so werde ich am leichtesten an den ganzen Schwan dabei denken, weil ich Schwanenkopf und Hals immer bloß am ganzen Schwan gesehen habe. Auch Ähnliches ruft sich gern durch Assoziationen hervor; so denken wir leicht bei der Rose an das blühende Mädchen und umgekehrt.
Um nun hiervon gleich eine praktische Anwendung auf das Reich des Geschehens zu machen: gesetzt, jemand wünscht viel Geld zu erwerben, so kann er dies zuvörderst im Sinne der Schlußmethode durch Fleiß und Arbeit erwerben, wo der Erfolg bei sonst erforderlichen Vorbedingungen in jedem Falle notwendig eintreten wird. Aber er kann auch in die Lotterie setzen. Hier hat man es nun gewöhnlich dem reinen Zufall überlassen, ob man gewinnen wird oder nicht; das ist aber gerade so, wie man es im gewöhnlichen Gedankenlaufe dem Zufall überläßt, ob dieser oder jener Gedanke kommen wird oder nicht; da man es doch in seiner Gewalt hat, sich wertvoller Gedankenverbindungen durch Auswendiglernen zu versichern. In ähnlicher Weise kann man sich aber auch des Gewinnens versichern. Und dies fängt man so an:
Man nimmt längere Zeit hindurch, ein halbes Jahr
oder ein Jahr lang, alles Geld und was man sonst einzunehmen hat, stets
mit denselben drei Fingern der linken Hand ein;
gibt aber nie etwas damit aus. So gewöhnt man diese Finger daran, zu gewinnen.
Nachdem dies hinreichend geschehen ist, zieht man endlich das Los mit denselben
Fingern; dann kommt ein Gewinnlos in die Hand, man weiß nicht wie. Die
drei Finger und das Gewinnen haben sich einmal an einander assoziiert.
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Gustav
Theodor Fechner
, Es gibt Hexerei
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Peter Handke, Kali. Eine Vorwintergeschichte. Frankfurt am Main 2008
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