reziöse
Madame Harmel ist eine Preziöse. Ihre Wohnung ist «hypermodern», ihre Gemälde
sind avantgardistisch, ihre Freunde hermetische Dichter. Ich hörte sie eines
Tages bei einem Kunsthändler, der ihr von Christian Bérard gemalte Porträts
zeigte, sagen: «Nehmen Sie diese Porträts nicht fort, bevor sie nicht tiefer
in unsere Herzen gedrungen sind!» Sie gibt viel Geld für ihre Garderobe aus
und verkündet, daß «unser Gewand ein Kunstwerk sein muß». Das hindert sie nicht,
mit einem Schutzmann zu schlafen, oft sehr schmutzig zu sein und Flüche und
gemeine Reden von sich zu geben.
Man rühmt ihren Geist sehr und noch mehr ihre Spiritualität; es ist möglich,
daß man weniger davon reden würde, wenn sie nicht so reich wäre. Ihr Geist und
ihre Spiritualität sind übrigens nicht zu leugnen. Sie liest viel, betet mit
Demut und Eifer zu Gott, beschäftigt sich mit Okkultismus, mit den einschlägigen
Meistern, versenkt sich in Gebete und bemüht sich, mit Gott zu reden, doch verlangen
Sie nicht von ihr, daß sie ihre Chaiselongue an Tagen, an denen sie träge ist
(d.h. an allen Tagen) verläßt, verlangen Sie keine geistige Anstrengung von
ihr, sei es auch die, Ihnen verständlich das Buch zu resümieren, das sie gerade
mit drei heftigen Wörtern verrissen hat, sie wird Ihnen «Scheiße!» antworten
und sich auf ihrem Kissen zur Wand hin umdrehen... -(
jac
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