fuhl   Ich wollte alles sehen, was es drunten gibt, und da mir schien, ich hätte mich lange aufgehalten, ging ich fort. Ich war nicht weit gekommen, da stieß ich auf einen Pfuhl, groß wie das Meer und sehr schmutzig, und der Lärm war so gewaltig, daß mir schwindelte. Ich fragte, was dies zu bedeuten habe, und sie sagten mir, daß dort die Weiber büßten, die auf der Welt Dueñas gewesen wären.

So erfuhr ich, daß die Dueñas dieser Welt in der Hölle Frösche sind, denn sie quaken unaufhörlich wie Frösche, ohne Sinn und Verstand; in Feuchtigkeit und Schlamm stecken sie und sind so recht Höllenfrösche, denn wie die Frösche sind auch die Dueñas weder Fleisch noch Fisch. Ich mußte laut lachen, als ich sie in dieses spreizbeinige Gezücht verwandelt sah, das nur von der Mitte abwärts genießbar ist, denn das Gesicht ist immer grämlich und verrunzelt. - Francisco de Quevedo, Die Träume. Die Fortuna mit Hirn oder die Stunde aller. Frankfurt am Main 1966 (zuerst 1627)

Pfuhl (2)  Volksfest in Plaine du Nord. Friedhof neben der Kirche.

Am Kreuz für Baron Samedi - Freiherrn von Sonnabend - ein rostiger Wellblechunterstand. Kranke liegen darunter. Sie erwarten ihre Heilung vom Gott der Toten.

Ein Mann ohne Nase. In das Loch hat er einen Stoffpfropfen gesteckt.

Das Trou St. Jacques, der St. Jakobuspfuhl, mitten im Dorf, führe immer Wasser, sagen die Leute; auch während der härtesten Dürre gebe es einen Tag vor Jakobi Wasser und Schlamm. Drei Pfuhle:

Der grösste für Ti Jean Pied Fin - Hänschen klein mit dem feinen FUSS.

Der nächste für Erzulie, die Liebesgöttin. Der dritte für Ogum. Trommeln.

Ein Mann springt in das grünschlammige Wasser des Pfuhls für Hänschen klein mit dem feinen FUSS.

Er schwimmt auf dem Rücken, breitet die Arme aus, schlängelt sich, springt hin und her, dass der Schlamm aufspritzt. Er taucht. Nur ein Teil seines Rückens bleibt sichtbar; der Körper steckt unbeweglich im Mudd.

Der Mann klappt ein Bein über den Nacken, er dreht sich, der Kopf hängt wieder unter Wasser.

Am nächsten Morgen um sechs Uhr ist noch nicht viel los. Der Sonnenaufgang scheint für den Vaudou keine so grosse Bedeutung zu haben wie für den Candomble in Brasilien. Die Gläubigen sitzen unbeweglich um die beiden kleineren Pfuhle. Sie haben brunnenartige Schächte in den Schlamm gegraben und an die Ränder brennende Kerzen gesteckt. Je wärmer es wird, desto mehr Leute baden im grossen Pfuhl. Ein Mann in hellem Sonntagsanzug hebt seinen Spazierstock und handhabt ihn wie ein Schiesseisen; der Mann verwandelt sich in den Gott Ogum, den Kriegsgott, Gott des Eisens, der Schmiede un d aller, die mit Eisen, Maschinen, eisernen Transportmitteln umgehen.

Der Mann im Sonntagsanzug, Ogum, lässt sich in Ogums Pfuhl fallen.

Fünf Stiere werden herangeführt. Um sie fünf Kreise von Priestern, Trommlern, Eingeweihten, Profanen.

Die Stiere sind mit roten Tüchern und roten Stirnbändern geschmückt.

Die Gemeinde singt sie an. Die Priester begiessen sie mit Parfüms und Zuckerrohrschnaps.

Ein Mann setzt seinen kleinen Sohn auf den Stier. Eine besessene, betrunkene Frau fasst dem Stier an die Hoden. Beim Pfuhl von Ti Jean Pied Fin wird ein Stier an eine dicke Baumwurzel gebunden.

Die Priesterin - ganz in rot - schwingt die Machete und tötet den Stier mit einem Stich in den Nacken. Der Opferschlächter öffnet die Halsschlagader. Eine Gehilfin hält die Plastikschüssel bereit, um das Blut aufzufangen. Sie häuten das Opfer und zerlegen es fromm und ordentlich für die Mahlzeiten der Götter.

Nachts tanzen Hunderte von halbnackten Mädchen um die Götterlöcher, rennen, schlammverkrustet grün, durch das Dorf, suchen Gäste, die sie zum Bad in die Pfuhle schleppen können. Sie hätten am Nachmittag eine Alte, die erschöpft am Rande des Schlamms lag, ins Wasser gezerrt, sie bewusstlos getanzt und solange untergetaucht, bis sie sich nicht mehr rührte. Jedes Jahr würde jemand im Pfuhl erstickt. - (xan)

 

Tümpel

 

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