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stiller Im Gefängnis hat der Mensch
keine Persönlichkeit. Er stellt nur ein geringfügiges Verwaltungsproblem dar
und eine Handvoll kleiner Einträge auf Formblättern. Kein Mensch interessiert
sich dafür, wer ihn liebt oder haßt, wie er aussieht, was er mit seinem Leben
angefangen hat. Niemand geht auf ihn ein, es sei denn, er macht Ärger. Niemand
mißhandelt ihn. Es wird nichts weiter von ihm verlangt, als daß er ruhig zur
richtigen Zelle geht und ruhig bleibt, wenn er dort ist. Es gibt nichts, wogegen
man sich wehren, nichts, worauf man wütend sein könnte. Die Gefängniswärter
sind ruhige Männer ohne Feindseligkeit oder Sadismus. All das Zeug, das man
manchmal liest, über Männer, die toben und schreien, gegen die Gitterstäbe schlagen,
mit Löffeln daran herumlärmen, worauf die Wachen mit dem Gummiknüppel hereingestürzt
kommen - all das trifft nur für die großen Zuchthäuser zu. Ein gutes Gefängnis
ist einer der ruhigsten Orte auf der Welt. Man könnte da bei Nacht durch den
Zellenblock gehen und durch die Gitterstäbe sehen, und da sähe man dann ein
Kuddelmuddel aus brauner Decke oder einen Schöpf Haar oder ein Paar Augen, die
ins Leere blicken. Man hörte vielleicht ein Schnarchen. In größeren Abständen
nähme das Ohr auch einmal an einem Alptraum teil. Das Leben im Gefängnis befindet
sich sozusagen in der Schwebe, es hat weder Zweck noch Bedeutung. In einer anderen
Zelle sähe man vielleicht einen Mann, der nicht schlafen kann oder nicht einmal
versucht zu schlafen. Er sitzt auf dem Rand seiner Pritsche und tut nichts.
Er sieht einen an oder läßt es. Man richtet den Blick auf ihn. Er sagt nichts,
und man selber sagt auch nichts. Man hat sich nichts mitzuteilen.
- Raymond Chandler, Der lange Abschied. Zürich 1975
Ort, stiller (2) Ich machte die Hintertür auf, trat hinaus auf den Erdboden und ging hinüber zu dem modernisierten Aborthäuschen. Es hatte ein abgeschrägtes Dach, dessen Kante vorn etwa zweieinhalb Meter und hinten knapp ein Meter achtzig hoch war. Die Tür ging nach außen auf, nach innen wäre es unmöglich gewesen, so klein war die Bude. Sie war verschlossen, aber das Schloß war alt. Es leistete keinen großen Widerstand.
Die ramponierten Zehen des Mannes berührten fast den Boden. Sein Kopf war oben in der Dunkelheit, wenige Zoll von dem Vierkantholz entfernt, das das Dach trug. Er hing an einem schwarzen Draht, wahrscheinlich einem Stück Elektrokabel. Seine Füße zeigten nach unten, als streckten sie sich aus, um auf den Zehenspitzen zu stehn. Die ausgefransten Aufschläge seiner Khakihose hingen ihm über die Fersen hinab. Ich faßte ihn gerade so lange an wie nötig, um festzustellen, daß er kalt genug war, um ihn hängen lassen zu können.
Er war sehr gewissenhaft vorgegangen. Er hatte sich an das Spülbecken in
seiner Küche gestellt, hatte sich den Gummischlauch um den Oberarm geknotet,
hatte dann die Hand geballt, um die Venen heraustreten zu lassen, und dann hatte
er sich eine Spritze voll Morphiumsulphat in den Blutkreislauf geschossen. Da
von den Röhrchen alle drei leer waren, lag die Vermutung nahe, daß wenigstens
eine voll gewesen war. Weniger als genug konnte er nicht gespritzt haben. Dann
hatte er den Schlauch gelöst. Es würde nicht lange dauern, nicht bei einem Schuß
direkt in die Blutbahn. Dann war er hinausgegangen zu seinem Abort, hatte sich
auf den Sitz gestellt und sich das Kabel um den Hals geknotet. Inzwischen würde
er schon schwindlig geworden sein. Er konnte dort stehenbleiben und abwarten,
bis seine Knie nachgeben würden. - Raymond Chandler, Playback.
Zürich 1976
Ort, stiller (3)
VERS POUR LES LIEUX De ce stège si mal tourné Le trou dut etre maçonné Quand le fameux Tropmann detruisit Henri Kink |
OPUS AU5 DEN LOKUS An diesem Sitz hier, der so scheußlich, Nur wahte Schurken haben, mein' ich, Als Tropmann, weit bekannt,
gekillt den Heinrich Kink, |
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(rim)
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