Wunderlich, was der Mensch alles schlucken
kann! Wohl zehn Minuten las ich in einer Zeitung,
ließ durch das Auge den Geist eines verantwortungslosen Menschen
in mich hinein, der die Worte anderer im Munde breit kaut und
sie eingespeichelt, aber unverdaut wieder von sich gibt. Das
nahm ich zu mir, eine ganze Spalte lang. Und alsdann fraß ich
ein gutes Stück von der Leber, die man aus dem Leib eines totgeschlagenen
Kalbes geschnitten hatte. Wunderlich! Das Beste war der Elsässer.
Ich habe die wilden heftigen Weine nicht
gern, wenigstens nicht für den Alltag, die mit starken Reizen
um sich werfen und berühmte Spezialgeschmäcke haben. Ich liebe
am meisten ganz reine, leichte, bescheidene Landweine ohne besondere
Namen, man kann viel davon vertragen, und sie schmecken gut und
freundlich nach Land und Erde und Himmel und Gehölz. Ein Becher
Elsässer und ein Stück gutes Brot, das ist die beste aller Mahlzeiten.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf. München 1963
(dtv 147, zuerst 1927)
Wie er Jean Kinck dazu brachte, mit ihm ins Elsaß zu fahren, ist unerheblich.
Kinck wurde in der Nähe der Ortschaft Bollwiller mit Blausäure umgebracht. Anschließend
fuhr Jean-Baptiste nach Paris. Von dort aus schickte er Madame Kinck eine Reihe
gefälschter Briefe unter Kincks Namen, in denen er von einer bedeutenden Transaktion
berichtete, die vor dem Abschluß stehe, und dringend darum bat, die ganze Familie
solle kommen und alle Dokumente (Geburtsurkunden, Grundstücksverträge usw.)
mitbringen. Den Briefen ließ er gleich noch ein paar Telegramme folgen. Madame
Kinck, die, weil sie nicht lesen konnte, einen Nachbarn bitten mußte, ihr vorzulesen,
kam der Aufforderung schließlich nach. Zuerst wurde Gustave, der älteste Sohn,
losgeschickt - und ermordet. Madame und die anderen Kinder kamen später. Jean-Baptiste
holte sie am Bahnhof ab, brachte sie zu einem stillen Ort am Stadtrand und schlachtete
die ganze Truppe ab. Diesmal benutzte er keine Blausäure, sondern nur einen
Spaten, ein Messer, eine Axt und die bloßen Hände. - (
beg
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