ensch,
weltlicher Relativität. Skepsis
gegenüber jedem sakrosankten Fundament. Entmystifizierung. Zwiespältige Haltung
gegenüber der Welt, in der wir existieren, die man wegen ihrer unheilbaren Mißstände
ablehnt, an der man aber hängt, sobald die Götter erst einmal gestorben sind,
weil sie die einzige Realität ist und weil nichts außer diesem Gegenstand, der
uns äußerlich, aber mit den Sinnen greifbar ist und mit dem wir auf vertrautem
Fuße stehen können, uns zu faszinieren vermag, ohne ein Trugbild zu sein, zwar
nicht in seiner Gesamtheit, aber zumindest doch in einigen Bruchstücken dessen,
was der Umgang mit ihr uns er schließt. Im Gegensatz zu Christus,
der taub blieb gegenüber dem Versucher, der ihn von seiner ewigen Sendung abbringen
wollte, indem er ihm die Herrschaft über die diesseitige Welt anbot, deren Herrlichkeiten
er ihn vom Berge schauen ließ (die Herrlichkeiten eben jener Welt, welcher der
Yokanaan der Salome flucht), ist der moderne Mensch weltlich im alten Sinne
dieses Wortes, da er auf keine Religion mehr setzen kann (auch nicht mehr auf
die Anbetung der Vernunft, jene Gottheit nach der Art der Laienschule und der
Büste der Republik) und versucht, seinen Reichtum auf das zu gründen, was ihm
diese Welt in ihren Höhen und Tiefen anzubieten hat. Gewiß eine oberflächliche
und insofern anfechtbare Haltung, aber wieviel akzeptabler noch als die falsche
Tiefe der vermeintlichen Globalerklärung, die ein hinkender Glaube liefert!
Eine positivistische Linie, wenn man so will, aber ein Positivismus, der sich
nicht mit einem großartigen Lehrgebäude brüstet, wobei es sich von selbst versteht,
daß das bißchen exaktes Wissen, über das wir verfügen, gegenüber unserem Unwissen
kaum ins Gewicht fällt und daß, wenn es eine Wissenschaft gibt, der von jeder
Wissenschaft erforderte Realismus es erheischt, daß sie eine ständige Infragestellung
dessen ist, was bisher als sicher galt, und ein unermüdliches Forschen, das
sich nie auf seinen Lorbeeren ausruht. Ein Positivismus ohne Bleisohlen, der
nicht zur Doktrin erstarrt, sondern reine Skepsis bleibt und der darin besteht,
die Dinge ohne Überhöhung und Verklärung hinzunehmen als die Bausteine jenes
Schauplatzes, auf dem wir uns von Geburt an bewegen müssen, und der so wenig
starr ist, daß er auch als geschworener Feind der verfälschenden Illusion Träume
und Wünsche nicht als Unkraut behandelt und seine Objekte auch nicht den Blüten
der Phantasie verweigert, und seien diese noch so barock. Daher rührt denn auch
wenn schon nicht bei allen Künstlern der Moderne, so doch zumindest bei der
kleinen Zahl derer, die mir auf exemplarische Weise von der Not unserer Zeit
besessen scheinen, der unverkennbare Diabolismus, wofern die entschiedene Hinwendung
zur äußeren Haut der Gegenstände (zu der Haut, die sie heute morgen umgibt,
ohne die Schminke von gestern und ohne Kosmetik für später) und der Versuch,
darauf Schlösser zu bauen, von denen man weiß, daß sie in der Luft zerrinnen
werden, die Abwendung von einem Absolutum alias Gott bedeutet und darauf hinausläuft,
in einer Versündigung gegen den geistigen Ernst die Position eines abgefallenen
Engels einzunehmen. - (leiris2)
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