Landmädchen   Das Mädchen in dem zerrissenen Kattunrock setzte sich ins Gras und kreuzte die Beine, ein wirklicher Wind von nirgendwoher hob ihr den Rock, und bis zur Hüfte war sie braun wie eine Haselnuß. Der Junge, der immer noch zaghaft im ersten Schatten stand, sah die zerbrochene Ferienprinzessin zum zweiten Mal sterben, und an ihrer Statt saß ein Landmädchen auf dem lebendigen Hügel. Wer hatte Angst gehabt vor ein paar Vögeln, die aus den Bäumen flogen, und vor einem plötzlichen Glanz der Sonne, der Fluß und Feld und die Ferne zu Füßen des Hügels so klein gemacht hatte? Wer hatte ihm erzählt, daß das Mädchen so groß wie ein Baum war? Sie war nicht größer und nicht seltsamer als die blumigen Mädchen, die sonntags im Hundetal Picknick machten.

»Was hast du oben im Baum gemacht?« fragte er sie, verlegen, daß er angesichts ihres Lächelns geschwiegen hatte, und plötzlich schüchtern, als sie sich bewegte, daß sich das Gras unter ihr geknickt und grün zwischen ihren braunen Beinen aufrichtete. »Hast du Nester gesucht?« sagte er und setzte sich zu ihr. Aber auf dem geknickten Gras im siebenten Schatten sprang sein erster Schrecken vor ihr wieder auf wie eine Sonne, die aus dem Meer zurückkommt, das sie versenkt hatte, und verbrannte seine Augen bis auf den hohläugigen Schädel und sträubte ihm das Haar. Der Fleck auf ihren Lippen war Blut, nicht Beerensaft, und ihre Nägel waren nicht abgebrochen, sondern seitlich geschärft: zehn schwarze Scherenklingen, bereit, ihm die Zunge abzuschneiden. Wenn er laut nach seinen Onkels in dem versteckten Haus rief, dann würde sie neue Tiere erschaffen, die ersten Tiger in Wales; und sie würde sie aus dem nur eine Viertelstunde entfernten Wald herwinken, damit sie ihn umsprangen und ihn in die Hände bissen; in der Luft würde sie neue Vogel erschaffen, die würden pfeifen und seine Hilferufe wegzwitschern. Er saß sehr still zu ihrer Linken und hörte, wie das Herz in ihrer Brust jeden Sommerton ertränkte. Da wuchs jedes Blatt des Baumes, der sie überschattete, und wurde so groß wie ein Mann; die Rillen der Baumrinde waren Kanäle und Flüsse, so breit wie ein großes Schiff; und das Moos auf dem Baum und der scharfe Kreis von Gras unten um seinen Stamm waren plötzlich die Samtdecken aller grünen Wiesen des ganzen Landes, die es zusammengeweht hatte, dicht an dicht, Hecke an Hecke. Auf dem Hügel, der so groß war wie die Welt, und dessen Bäume den Himmeln gleich die Wetter hochhielten, neigte sie sich jetzt im großgewordenen Sommerwetter zu ihm hin, daß er nur ihr dichtes rotes Haar und nicht das Kornfeld und auch nicht das Haus seiner Onkels sehen konnte; und Himmel und ferner Hügelkamm waren Lichtpunkte in den Pupillen ihrer Augen.

Das ist der Tod, sagte der Junge zu sich selbst, die Schwindsucht und der Keuchhusten und die Steine in einem drin... und wie einem das Gesicht stehenbleibt, wenn man im Spiegel zu viele Gesichter schneidet.  - (echo)

Landjugend Mädchen Landmensch

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