Kneipenpoet   Eine scharfe, gegen seine Nase gedrückte Kante veranlaßte ihn, die Augen zu öffnen. Es stellte sich heraus, daß es eine Visitenkarte war, die man plötzlich zurückgezogen hatte, so daß er lesen konnte:

AUSTIN TlCKLEPENNY
Kneipenpoet aus der Grafschaft Dublin

Diese Kreatur verdient keine besondere Beschreibung. Als unbedeutendste Figur in dem Spiel zwischen Murphy und seinen Sternen macht er seinen kleinen Zug, leitet eine Aktion ein und wird vom Schachbrett gefegt. Es ist denkbar, daß für Austin Ticklepenny eine spätere Verwendung auf dem Halmabrett eines Kindes oder beim «Mensch ärgere dich nicht»-Spiel eines Buchrezensenten gefunden wird, seine Schachspielzeit ist jedenfalls vorbei. Es gibt keine Revanchepartie zwischen einem Menschen und seinen Sternen,

«Da es mir nicht gelang», sagte Ticklepenny, «Ihre Aufmerksamkeit durch das zu gewinnen, was Aristons göttlicher Sohn den aus der Seele über die Lippen hervorquillenden Stimmenfluß nennt, nahm ich mir die Freiheit, wie Sie sehen.»

Murphy trank seine Tasse aus und wollte aufstehen, aber Ticklepenny erwischte seine Beine unterm Tisch und sagte:

«Keine Angst, ich singe nicht mehr.»

Murphy hegte einen so enormen Abscheu vor der Vergewaltigung, daß es ihm nicht schwerfiel, sobald sich ein erstes Anzeichen dafür ergab, völlig weich zu werden. Das tat er nun.

«Ja», sagte Ticklepenny, «nulla linea sine die. Ware ich hier, wenn ich trinken dürfte? Ich glaube nicht.»

Er steigerte seine Strampelei unterm Tisch derart, daß Murphys Gedächtnis zu vibrieren begann.

«Hatte ich nicht einmal die Unehre in Dublin?» sagte er. «War es nicht im Gate-Theater?»

«Romiet», sagte Ticklepenny, «and juleo.» Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn... Nicht zu glauben!

Murphy erinnerte sich dunkel an einen willkommenen Apotheker.

«Ich war angeheitert», sagte Ticklepenny, «Sie waren sternhagelvoll.»

Es war jedoch eine traurige Wahrheit, daß Murphy nie daran rührte. Es würde sich bestimmt früher oder später zeigen.

«Wenn Sie nicht wollen, daß ich eine Polizeibeamtin rufe», sagte Murphy, «unterlassen Sie dann Ihre plumpen Genustuprationen.»

Beamtin war hier das Schlüsselwort. «Meine  Leber verdorrte», sagte Ticklepenny,  «also mußte ich meine Leier an den Nagel hängen.»

«Und sich selbst gründlich gehenlassen», sagte Murphy.

«Herren, Melpornene, Kalliope, Erato und Thalia», sagte Ticklepenny, «umwerben mich in dieser Reihenfolge vergebens, seitdem ich mein Leben geändert habe.» «Dann wissen Sie, was ich fühle», sagte Murphy. «Derselbe Ticklepenny», sagte Ticklepenny, «der, so weit er zurückdenken kann, Tag für Tag unentwegt einen Pentameter pro Pinte lieferte, ist nun zu einem Krankenpfleger in einem besseren Irrenhaus erniedrigt worden. Es ist derselbe Ticklepenny, aber, gottverdammich quantum mutatus

"Ab illa», sagte Murphy.

«Ich setze mich auf die, welche nicht essen wollen», sagte Ticklepenny, «sperre ihnen mit dem Knebel die Kiefer auf und drücke ihre Zunge mit dem Spatel beiseite, bis der letzte Trichter leer ist. Mit Schaufel und Eimer gehe ich von Zelle zu Zelle, ich...»

Ticklepenny blieb stecken, trank tatsächlich einen großen Schluck von seinem Limonadensprudel und stellte gleichzeitig seine Annäherungsversuche unterm Tisch ein, Murphy konnte es nicht ausnützen, um sich davonzumachen, denn er war wie betäubt von dem plötzlichen Zusammenstoß zweier bisher verschiedener Motive aus Suks Horoskop, dem des Irrsinnigen aus Absatz zwei und dem Wärter aus Absatz sieben.

«Ich kann es nicht mehr ertragen», stöhnte Ticklepenny, «es macht mich verrückt.»    - (mur)

 

Kneipe Poet

 

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