akteenzüchter
Sie müssen wissen, daß die echten Kakteenzüchter wie eine
Sekte Derwische sind; ich glaube sogar, daß ihnen
statt der Bärte Stacheln und Glochidien wachsen, so versessen sind sie.
Wir haben zwei solcher Sekten: den Verein der Kakteenzüchter
und den Kakteenzüchterverband; wodurch sich die beiden voneinander unterscheiden,
ist mir nicht klar - ich nehme an, die einen glauben an die unsterblichen Seelen
der Kakteen, während die andern ihnen Blutopfer darbringen. Aber beide
Sekten hassen und verfolgen einander mit Feuer und Schwert zu Lande und in der
Luft. Ich suchte also die Obersten dieser beiden Sekten auf und fragte sie im
Vertrauen, ob sie eine Ahnung hätten, wer - vermutlich von der anderen Sekte
- die Holbenschen Kakteen gestohlen haben könne. Als ich ihnen verriet,
welchen Wert die entwendeten Exemplare hätten, erklärten sie entrüstet,
daß es kein Mitglied der feindlichen Sekte gewesen sein könne, da
zu dieser nur Räudige, Pfuscher und Unaufgeklärte zahlten, die keinen
blauen Dunst von einem Wislizenii oder Graessnerii hatten, von einem Pilocereus
fimbriatus gar nicht zu reden; und was die eigenen Mitglieder angehe,
so könne man für ihre Ehrlichkeit und ihren Edelmut die Hand ins Feuer
legen. Sie seien unfähig zum Stehlen, höchstens mal so einen gewöhnlichen
Kaktus; besäße aber einer von ihnen etwa einen Wislizenii, dann würde
er ihn sicher zwecks Anbetung und anderer religiöser Orgien den Mitgliedern
vorführen, darüber sei jedoch den Vorsitzenden nichts bekannt. Danach
machten mich die beiden ehrwürdigen Herren noch darauf aufmerksam, daß
es außer diesen beiden anerkannten oder geduldeten Sekten auch noch wilde
Kakteenzüchter gebe, und die seien die ärgsten. Es handle sich dabei
nämlich um diejenigen, die sich vor Leidenschaft mit den gemäßigten
Sekten nicht verstünden und zu Irrlehren und Gewalttaten neigten. Diese
wilden Kakteenzüchter seien zu allem fähig. - Karel Čapek, Der gestohlene Kaktus. Frankfurt am Main 1969 (zuerst
ca. 1930)
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