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wahres
Als Hermod herabgekommen und Platz genommen auf einem großen Stein, den der
weiche bunte Teppich des schönsten Mooses überzog, begann der von den Männern,
der der älteste schien, da sein weißer Bart ihm bis an den Gürtel herabreichte,
also: ›Großer Hermod, du weißt gewiß alles, was ich dir sagen will, schon im
voraus besser als ich selbst; aber eben damit du erfahren mögest, daß ich es
auch weiß, muß ich es dir sagen.‹ ›Rede!‹ erwiderte Hermod, ›rede, o Jüngling!
Gern will ich dich anhören; denn das, was du eben sagtest, verrät, daß dir durchdringender
Verstand beiwohnt, wo nicht tiefe Weisheit, unerachtet du kaum die Kinderschuhe
vertreten. ›Ihr wißt‹, fuhr der Sprecher fort, ›Ihr wißt es, großer Magus, daß
König Ophioch eines Tages im Rat, als eben die Rede davon war, daß jeder Vasall
gehalten sein solle, jährlich eine bestimmte Quantität Witz
zum Hauptmagazin alles Spaßes im Königreich beizusteuern, woraus bei eintretender
Hungers- oder Durstnot die Armen verpflegt werden, plötzlich sprach: ›Der Moment,
in dem der Mensch umfällt, ist der erste, in dem
sein wahrhaftes Ich sich aufrichtet.‹ Ihr
wißt es, daß König Ophioch, kaum hatte er diese Worte gesprochen, wirklich umfiel
und nicht mehr aufstand, weil er gestorben war. Traf es sich nun, daß Königin
Liris auch in demselben Augenblick die Augen geschlossen, um sie nie wieder
zu öffnen, so geriet der Staatsrat, da es dem königlichen Paar an einiger Deszendenz
gänzlich fehlte, wegen der Thronfolge in nicht geringe Verlegenheit. Der Hofastronom,
ein sinnreicher Mann, fiel endlich auf ein Mittel, die weise Regierung des Königs
Ophioch dem Lande noch auf lange Jahre zu erhalten. Er schlug nämlich vor, ebenso
zu verfahren, wie es mit einem bekannten Geisterfürsten (König Salomo) geschah,
dem, als er schon längst gestorben, die Geister noch lange gehorchten. Der Hoftischlermeister
wurde, diesem Vorschlag gemäß, in den Staatsrat gezogen; der verfertigte ein
zierliches Gestell von Buchsbaum, das wurde dem König Ophioch, nachdem sein
Körper gehörige Speisung der trefflichsten Spezereien erhalten, unter den Steiß
geschoben, so daß er ganz stattlich dasaß; vermöge eines geheimen Zuges, dessen
Ende wie eine Glockenschnur im Konferenzzimmer des großen Rats herabhing, wurde
aber sein Arm regiert, so daß er das Zepter hin
und her schwenkte. Niemand zweifelte, daß König Ophioch lebe und regiere. - E. T. A. Hoffmann, Prinzessin Brambilla
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