asenscharte Der
Hase kam sich sehr klug vor und dachte sich immer etwas aus, um andere zu betrügen.
Einmal sah der Hase ein paar Kücken, die Sojabohnen pickten. Da schmatzte er gleich vor Gier, lief zu ihnen und rief: »Habt ihr keine anderen Sorgen, als Bohnen zu picken? Ist euch das Leben nicht lieb?« »Wieso?«
»Das Wiesel kommt!« »Wo?«
»Seht ihr dort den großen Grabhügel? Dahinter sitzt es und kommt hierher. Wenn es euch erst einmal gesehen hat, ist es zu spät zum Ausrücken. Besser, ihr lauft gleich weg, solange noch Zeit ist!«
Vor nichts haben Hühner mehr Angst als vor dem Wiesel, besonders aber kleine
Kücken. Als die Kücken gehört hatten, was der Hase sagte, dachten sie nicht
daran, noch weiter zu picken. Tschiepend flatterten sie davon. Jetzt kam der
Hase schnell näher und fraß die Sojabohnen alle auf. Dann wischte er sich mit
der Pfote das Maul ab und dachte: ›Ohne viel zu suchen, ohne viel herumzulaufen,
mit einer einzigen Lüge habe ich die Kücken hinters Licht geführt und habe eine
Portion duftende Sojabohnen zu fressen bekommen. Das ist doch wirklich zu schön
!‹ Je mehr der Hase darüber nachdachte, um so schöner fand er es und desto zufriedener
war er, bis er schließlich das Maul aufriß und laut lachte. Er lachte so wild,
daß ihm schließlich die Lippe zerriß. Seitdem hat er am Maul eine Hasenscharte.
- Chinesische Märchen. Übs. und Hg. Rainer Schwarz. Leipzig 1991
Hasenscharte (2) Marcel
Jouhandeau wurde am 26. Juli 1888 geboren, in Gueret, der kleinen Departementshauptstadt
der Creuse. Sein Vater war Schlächter, die Mutter eine Bäckerstochter. Er kam
mit einer kleinen Hasenscharte zur Welt: «Ein Engel
hat seine Lippen beschnitten, oder Gott hat ihn durch
einen Kuß verwundet.» Jouhandeau hat diese kaum sichtbare
Kerbe selber gerne als ein Stigma der Auserwähltheit
und Aussonderung empfunden. Physiognomisch bezeichnet sie die Hälftung und Doppeldeutigkeit
seines Wesens. - Friedhelm Kemp, Nachwort zu: Marcel Jouhandeau, Chaminadour. Reinbek bei Hamburg 1964
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