estern Während
Rottenkopf Bratkartoffeln mit saurer Gurke, Yoghurt, Schmalz- und Marmeladenbrote
aß und Milchkaffee trank, hatte er die Idee, nicht nur für die Zeit, die der
Ofen aus dem Haus war und er in einem völlig ungewohnten und ziemlich unbequemen
Bett schlafen mußte, über GESTERN zu schreiben, sondern sein ganzes Leben lang
täglich GESTERN aufzuschreiben: welche Zigaretten, wann aufgestanden, was gegessen,
geheizt, wen getroffen, was getrunken etcetc. Bei einem Tagesdurchschnitt von
sagen wir drei Schreibmaschinenseiten und durchschnittlich eintausendfünfundneunzig
Seiten im Jahr, unter Berücksichtigung seiner Lebenserwartung, konnte Rottenkopf
leicht fünfunddreißigtausend Schreibmaschinenseiten zusammenbringen. Wenn er
dazu noch die jeweils wichtigsten Zeitungsmeldungen abschrieb - Rottenkopf träumte
von selbstverfaßten Bibliotheken. Natürlich war ein Tag mit drei Schreibmaschinenseiten
m keiner Weise erschöpfend zu beschreiben. Andererseits war er nicht sicher,
ob er diese Tätigkeit sein Leben lang durchhalten würde. Vielleicht wäre es
besser, jemand filmte sein Leben vierundzwanzig Stunden lang täglich. Ehe er
sich jedoch über diese Probleme die geringste Klarheit verschafft hatte, kam
Angelika und er baute sein Tonbandgerät auf. Er verschaffte sich von ihr Auskünfte
über ihr Elternhaus, ihre sexuellen Gewohnheiten, ihr Verhältnis zu Staat und
Gesellschaft. Dann überlegte er eine Weile und versprach schließlich, ihr in
seinem neuen Buch eine Rolle, wenn auch unter fremdem Namen zu geben. Aus Dankbarkeit
gab sie sich ihm spontan hin.
- (baer)
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