Freundschaft, tierische    Den Knappen kam die Lust an, „die Fallgatter seiner Augen herabzulassen", wie er zu sagen pflegte, wenn er schlafen wollte; er nahm seinem Grauen das Geschirr ab und verstattete ihm freie und reichliche Weide. Rosinanten sattelte er aber nicht ab, weil es ausdrücklicher Befehl seines Herrn war, er solle zu allen Zeiten, wo sie auf freiem Felde verweilten oder nicht unter Dach schliefen, Rosinanten niemals abschirren, gemäß dem alten und unabänderlichen Brauch der fahrenden Ritter, zwar den Zaum abzunehmen und über den Sattelknopf zu hängen; aber dem Rosse den Sattel abzunehmen? ei, behüte! Und so tat denn Sancho und gab dem Gaul die nämliche Freiheit wie dem Esel. Zwischen diesem und Rosinante war die Freundschaft so beispiellos und eng, daß man zufolge einer Überlieferung von Vater zu Sohn allgemein annimmt, es habe der Verfasser dieser wahrhaftigen Geschichte besondere Kapitel über sie geschrieben; aber um den Anstand und die Schicklichkeit nicht zu verletzen, die einer solchen Heldengeschichte zukommen, habe er dieselben nicht darin aufgenommen. Freilich hat er seinen Vorsatz zuweilen vergessen; zum Beispiel berichtet er, daß, sowie die beiden Tiere zusammenkamen, sie auf der Stelle begannen, sich aneinander zu reiben; und wenn sie dessen rnüde waren, legte Rosinante seinen Hals auf den Nacken des Grautiers, daß er auf der andern Seite mehr als eine halbe Elle über jenen hinausragte, und so, nachdenklich zu Boden schauend, pflagen die beiden drei Tage lang dazustehen, oder wenigstens so lang, als der Hunger es zuließ und sie nicht nötigte, Nahrung zu suchen. Ja, der Verfasser soll die Freundschaft der beiden mit jener zwischen Nisus und Euryalus, zwischen Pylades und Orestes verglichen haben: und wenn dies wahr ist, sieht man, wie fest die Freundschaft dieser zwei friedsamen Tiere gewesen sein muß, zur allgemeinen Bewunderung und zur Beschämung der Menschen, die einander so schlecht Freundschaft zu halten wissen. Und darum heißt es im Lied:

Keinen Freund gibt's für den Freund mehr,
Und der Wurfstab wird zum Speere;

und in jenem andern Sang:

Vom Freund dem Freunde die Wanze ... etc.

Es soll aber niemand meinen, der Verfasser sei zu weit gegangen wenn er die Freundschaft dieser Tiere mit derjenigen der Menschen verglich; denn von den Tieren haben die Menschen manchen Wink erhalten und viele wichtige Dinge gelernt, wie das Klistieren von den Störchen, von den Hunden das Erbrechen und die Dankbarkeit, von den Kranichen die Wachsamkeit, von den Ameisen die Vorsorge für künftigen Mangel, von den Elefanten die Sittsamkeit, die Dienertreue vom Pferd.  - (donq)

Freundschaft

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