Eisenkind  Einstmals gingen sie zu einem Felssteig und spielten dort. Dabei fand das älteste Mädchen auf dem Flußufer ein eisernes Kind. Sie stellten für ihr Kind eine Wiege her und nahmen es als Puppenkind. Am nächsten Tag gingen die Mädchen Beeren sammeln. Abends kamen sie vom Beerensammeln zurück: Ihr Topf kocht, ist voller Fischbrei. Die Mädchen verwundern sich, aßen aber, da sie hungrig waren. Das jüngste Mädchen jedoch tat nur so, als ob es äße, gießt es aber in den Ärmel, tut so, als ob es speise, gießt es aber fort in die Stiefelöffnung. Am nächsten Tage gingen sie wieder nach Beeren.

Das jüngste Mädchen tat so, als ob es mitginge, verwandelte sich aber in eine Nadel und versteckte sich hinter dem Ofen. Als das Mädchen dasaß und schaute, sprach ihr Eisenkind: »Wiege mein, reiß dich los, Wiege mein, reiß dich los!« - und da stand plötzlich ein eiserner Mensch, der bis zur Decke des Hauses reichte, langbeinig da. Dann tat er Brei in den Topf, stellte ihn auf den Herd und ging zu seiner Wiege, legte sich hinein, und als er sprach: »Wiege mein, binde dich fest, Wiege mein, binde dich fest!« band sich die Wiege wieder fest. Als die Mädchen am Abend kamen, erzählte ihnen das jüngste Mädchen alles, was es erlebt hatte. Ihre älteren Schwestern glaubten ihr nicht. Sie sagten: »Stimmt ja nicht, unser Kind soll uns Brei hingestellt haben?!« und aßen ihren Brei auf. Das jüngste Mädchen aß wiederum nichts.

Am nächsten Tag blieb das mittlere Mädchen zuhause. Da geschah es wieder so, wie das (jüngste) Mädchen erzählt hatte. Am Tag darauf blieb das älteste Mädchen zuhause, es erlebte abermals dasselbe.

Danach gingen die Mädchen zum Beerensammeln und berieten sich, wie sie den eisernen Menschen umbringen konnten. Als sie nach Hause kamen, heizten sie ihren Ofen ganz stark ein, legten das Eisenkind in den großen Topf und warfen den ins Feuer. Sie selber liefen flußabwärts. Als sie dahinzogen, sahen sie: Ihr eiserner Mensch hatte sich mit dem glutroten Topf bedeckt und rannte einher. Die Mädchen erschraken. Während sie liefen, sahen sie: Auf dem andern Ufer des Flusses saß eine Alte auf einem Hügel und nähte. Zu der sagten die Mädchen: »Setze uns schnell über, der Sohn des Abaasy will uns fressen!« Da streckte die Alte für sie ihr Bein aus. Die Mädchen kamen hinüber und liefen, wo ihr Gesicht hinwies.

Auch der Sohn des Abaasy sagte: »Alte, setze mich schnell über!« Da sagte die Alte: »Warte ein bißchen, ich bin noch nicht fertig mit Nähen.« Der Sohn des Abaasy regt sich auf. Dann, nach langer Zeit, streckte sie für ihn ihr Bein aus. Der Sohn des Abaasy begann hinüberzugehen. Da sagt die Alte: »Nun, junger Mann, wie stachlig ist mein Bein?« Da sagt der Abaasy-Sohn: »Oh, Satansalte, wie stachlig ist doch dein Bein!« Daraufhin stößt die Alte den Abaasy-Sohn mit dem Fuß ins Wasser. Die Mädchen liefen weiter dahin. Als sie daherkamen, sahen sie: An der Tür eines kleinen Hauses hackte die Tochter des Abaasy Holz, sie hatte nur ein Auge in der Mitte der Stirn und nur ein Bein in der Mitte des Leibes. Die packte die Mädchen und sperrte sie ein. Die Mädchen suchen ein Loch zum Herausschlüpfen. Dabei findet das jüngste Mädchen ein Loch, so groß, daß nur eine Nadel hindurchkommt. Zwei Mädchen verwandelten sich in eine Nadel und schlüpften durch das Loch. Als aber das größte Mädchen sagte »Lunge, schwill auf, Lunge, schwill auf!« wurde ihr Bauch so aufgeschwollen wie die Lunge. Da begannen die Mädchen sie am Kopf zu ziehen, dabei rissen sie ihr den Kopf ab. Nun legten die Mädchen den Kopf ihrer Schwester auf einen Baumstamm, der Kopf weinte. Da nahmen sie ihn wieder herunter, brachten ihn zu einer Birke und legten ihn darauf. Da weinte er abermals. Da nahmen sie ihn, brachten ihn zu einer Fichte und legten ihn darauf. Da lachte er. Seither macht man für die Menschen ein Grab aus Fichten.  - Sibirische Märchen, Bd. 2. Übs. u. Hg. Gerhard Doerfer. Düsseldorf und Köln 1983 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

 

Kind Eisen

 

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