Cangaceiro   »›Hör doch zu, was ich dir sage, Mann! Ich bin blind und wundere mich nur darüber, daß du kein Blut auf meinem Gesicht sehen kannst. Wie kommt es nur, daß du es nicht sehen kannst, wo ich doch den Geschmack der mit Blut vermischten Augenflüssigkeit in meinem Mund gespürt habe? Ich habe es genau gefühlt, als meine Augen zersprangen und das Augenwasser herabfloß. Ich weiß das ganz genau, denn ich schmecke sogar jetzt noch das rostige Metall in meinem Mund.‹

›Na ja, Dom Pedro Dinis Quaderna, das wundert mich nicht weiter, denn als ich hier an der Straßenbiegung auftauchte, da standest du wie ein Ölgötze die ganze Zeit herum und hattest dein Klappmesser quer in den Mund gesteckt.‹

›Das Messer? In den Mund?< fragte ich dümmlich.

›Jawohl<, beharrte Lino. ›Als ich auftauchte, hast du wie ein Verrückter auf deinem Messer herumgebissen. Und ich will dir noch eines sagen: ich wäre fast vor Angst getürmt, denn so wie du ausgesehen hast, mit Hanfschuhen und Lederriemen, brauner Kleidung, den Lederhut auf dem Kopf und das Messer quer lm Mund, wie ein wildgewordener Handfeger, sahst du aus wie der Geist eines Cangaceiros, der am hellichten Tag erschienen lst. Es wird wohl das Klappmesser gewesen sein, das dir diesen rostigen Metallgeschmack im Mund verschafft hat. Du sahst wie ein Vollidiot aus, wie einer, der auf dem Messer herumbeißt sich immer noch die Lippen danach leckt. Als ich näher kam, hast du dann, ohne es zu merken, das Messer aus dem Mund genommen und in der Hand behalten.‹«

»Und stimmte das, was er sagte?« erkundigte sich der Richter.

»Ja, so war es.«

»Schreiben Sie das auf, Dona Margarida, es ist wichtig. Sie hatten das Messer in der Hand, haben Sie das nicht gesagt?«

»So war es. Erst als es Lino sagte, merkte ich, daß ich tatsächlich noch das Messer in der Hand hielt. Da fiel mir dann undeutlich ein, daß ich, als ich den Felsen hinunterstieg, das Messer aus dem Gürtel gezogen und quer in den Mund gesteckt hatte - für alle Fälle. Höchst verlegen und beschämt vor meinem Untertan und Gefolgsmann, der mich bei einer Narretei dieses Ausmaßes ertappt hatte, fragte ich Lino, immer noch zweifelnd: ›Das heißt also, daß meine Augen intakt sind, Lino?‹ ›Das sind sie, alter Dinis‹, gab er mit großer Sicherheit zurück.

›Und wie kannst du dir dann erklären, daß ich so blind bin, daß ich einen Blindenführer brauchen könnte? Ich kann dich nicht erkennen. Ich kann nicht einmal das Licht der Sonne erkennen. Wenn ich in die Sonne schaue, sehe ich nur eine Silberkugel, die in Feuer schwimmt.‹

›Daran kannst du sehen, daß du paralytisch geworden bist, wie ich mir das gleich gedacht hatte. Dinis, du bist so närrisch und extravagant wie die Pest. Was ist das auch für eine überkandidelte Idee, zuerst Trockenfleisch essen und Wein trinken und sich dann auf einen Felsen in die pralle Sonne legen, das weiß man doch, das muß einem ja den Verstandeskasten durchlöchern. Das bedeutet Tod oder sichere Blindheit, und zwar Blindheit, wie sie im Buche steht. Ich werde Euch etwas sagen, mein alter Kriegskönig: du kannst noch von Glück sagen. Die Lähmung hätte auch an einer weniger gesunden Stelle auftreten können, und dann wäre es dein sicherer Tod. So hat dtf Lähmung nur die Augen erwischt, und du bist glücklicherweise nicht gestorben, sondern nur erblindet.‹   - (stein)

Cangaceiro (2)

Cangaceiro (3)
 

Bandit Brasilianer Sertao

 

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