Brot und Wein  Wie an den Gräsern überhaupt das Angewiesensein des eigenen Lebens an ein anderes Höheres, am sichtbarsten hervortritt, - weil in ihnen Sprossen und Grünen und Blühen, an anderen mehr für sich bestehend und auf die eigene Reproduction gestellt, ganz auf die Hervorbringung eines Nahrungstoffes für Andere gerichtet scheinen, - so läßt sich dies besonders an den Getreidefrüchten auffallend und klar erkennen. Wenn daher der Ertrag aller anderen Gewächse, mehr oder weniger in einer gesonderten Richtung herausgetrieben, auch mehr oder minder einer gesonderten thierisch-organischen entspricht, und diese schmeichelnd anregt, dann erscheint der Waizen in seiner allgemeinen Unbestimmtheit mehr dem gesammten Leben zugethan; und das ist es denn eben, was ihn zur Nahrung desselben vorzugsweise bestimmt, und ihn eben dadurch auch zur reinen mystischen Speise erhebt. Das Mark der Erde ist in ihm am unmittelbarsten aufgesproßt, und so erscheint er vor Allem geeignet, Mark des Lebens zu werden und gesundes Fleisch im Organism. Neben ihm aber hat die nahrungssprossende Erde noch ein anderes Gewächs hervorgetrieben, die Rebe nämlich, in der das milde Pflanzenblut sich zur Süße läutert, die dann durch einen anderen mystischen Naturproceß sich zur höchsten Begeistigung im Weine clarificirt. Blut und Nervengeist der Erde ist daher der Wein dem organischen Blute und Nervengeiste am meisten congenial, und zu ihnen in den nächsten Rapport gesetzt. Und wie nun Sonnenlicht und Erdenfeuchte zusammenwirkend, in der Doppelfrucht, dem Weine und dem Brode, sich wiedergeboren; so werden beide, in's leibliche Leben aufgenommen, die Stelle ihres zeugenden Vaters vertreten, und der Mutter, die sie geboren. Das untere Leben wird wie im Mischbecher den Waizen fassen; und indem nun das höhere, vom Weine angeregt, im Blut und Nervengeiste den gefaßten befruchtet, vollbringt sich der innere Selbstzeugungsproceß in der Durchdringung der Lebenskräfte, und dessen zum Zeichen durchdringen sie Brod und Wein; und aus ihrer Durchdringung wird ein Abbild der zeugenden Kräfte in Blut und Fleisch, dem lebendigen Wein und Brod, dem Organism eingeleibt.    - Joseph Goerres, nach (lte)

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