rot Es war im Sommer 1940, im Lager von Hoyerswerda; ich schrieb im Liegen
- nicht
nur, weil kein Tisch vorhanden war, sondern weil wir wegen der Unterernährung
und um Kalorien zu sparen kaum mehr als ein paar Stunden am Tag aufstanden.
Ganz unerwartet war die Idee zu diesem Roman aus der Erinnerung an die Amants
de Montmorency hervorgegangen - ein mittelmäßiges Gedicht, das keine tiefen
Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen hatte -, jedoch hätten mir die Kraft
gefehlt, sofort damit anzufangen: zur Bestätigung der getroffenen Entscheidung
schrieb ich immerhin den Prolog. Bevor ich zur Feder griff, teilte ich, ausgerüstet
mit einem Zwanzig-Zentimeter-Lineal, das Frühstücksschwarzbrot in fünf gleiche
Stücke, eine hochbedeutende Verrichtung, die mir von unserer kleinen Gruppe
anvertraut worden war: diese Präzisionsarbeit (ich mußte nämlich auch die Rundungin
der Mitte beachten und in die Rechnung mit einbeziehen) beanspruchte zehn volle
Minuten: anschließend entschied das Los über die Stücke. Da wir schon ziemlich
nah an die heikle Schwelle der Entkräftung hinabgestiegen waren, hätte
- die
bescheidene und wunderbare Gabe des täglichen Brotes, dieses Unterpfands des
Überlebens, für uns an jedem neuen Tag dem feierlichen und vertrauten Aufsagen
des Vaterunser gleichkommen können; vier wachsame, aber in Zaum gehaltene Augenpaare
folgten gebannt wie bei einem heiklen chirurgischen Eingriff der Teilung dieses
Blocks voll Wohlgeschmack und Energie, der auf eine in früheren Zeiten gänzlich
unvorstellbare Weise den Bauch zu füllen vermochte. - (
grac
)
Brot (2) Die Oberfläche des Brotes ist wunderbar, schon wegen des gleichsam panoramaähnlichen Eindrucks, den sie verschafft: als hätte man, wie's einem beliebt, die Alpen, den Taurus oder die Anden in Händen. So wurde denn eine formlose Masse, aus der gerade ein Rülpser stieg, für uns in den Sternbackofen geschoben, wo sie beim Erstarren in Täler, Grate, Bodenwellen und Risse aufbrach. . . Und all diese Gestaltungen seitdem so klar herausgearbeitet, diese feinen Fliesen, denen das Licht beharrlich seine Spiegelungen anvertraut, - ohne einen Blick für die nichtswürdige Verweichlichung, die unter der Oberfläche herrscht.
Dieser schlaffe, kalte Untergrund, den man Krume nennt, gleicht in seinem Gewebe den Schwämmen: Blätter oder Blüten sind da wie siamesische Zwillinge, die an allen Ellbogen zugleich miteinander verwachsen sind. Wird das Brot altbacken, so welken diese Blüten und ziehen sich zusammen: sie lösen sich dann voneinander, und ihre Masse zerbröckelt leicht. . .
Brechen wir sie immerhin: soll doch das Brot in unserem Mund weniger
Gegenstand der Ehrfurcht als des Verzehrs
sein. - (lyr)
|
||
|
||