Arizona  Da war Arizona. Ich entsinne mich, daß es schon Abend war, als ich zum erstenmal den Fuß auf den Boden Arizonas setzte. Gerade noch hell genug, den letzten Eindruck von einer verdämmernden Hochebene zu erhaschen.  Ich wandere durch die Hauptstraße einer kleinen Stadt, deren Namen vergessen ist. Was tue ich hier auf dieser Straße, in dieser Stadt? Nun, ich bin verliebt in Arizona, in ein imaginäres Arizona, das ich vergeblich mit meinen beiden guten Augen suche. Im Zug trug ich das Arizona noch in mir, das ich aus New York mitgebracht hatte - sogar noch als wir die Staatsgrenze überschritten hatten. Hatte mich da nicht eine Brücke über einen Cañon aus meiner Träumerei gerissen? Eine Brücke, wie ich sie noch nie gesehen hatte, eine Naturbrücke, entstanden durch eine Erdkatastrophe vor Tausenden von Jahren? Und diese Brücke hatte ich jemand überqueren sehen, jemand, der wie ein Indianer aussah, er ritt auf einem Pferd, und eine große Satteltasche hing neben dem Steigbügel. Eine tausendjährige natürliche Brücke, die in der klaren Luft der sterbenden Sonne wie die jüngste, neueste Brücke aussah, die man sich vorstellen konnte. Und diese so feste, so dauerhafte Brücke überquerten, Gott sei gepriesen, ein Mann und ein Pferd, sonst nichts. Das war also Arizona, und Arizona war kein Produkt der Phantasie, sondern die als Pferd und Reiter verkleidete Phantasie selber. Sogar mehr als die Phantasie selber war es, denn hier herrschte keine Aura von Zweideutigkeit, sondern nur scharf umrissen und tödlich isoliert das Ding selbst, das der Traum war, und der Träumer selbst auf seinem Pferd. Und als der Zug hält, setze ich meinen Fuß auf den Boden, und mein Fuß hat ein tiefes Loch in den Traum getreten: ich bin in einer Stadt Arizonas, die im Fahrplan steht, und es ist nur das geographische Arizona, das jeder, der das Geld dazu hat, besuchen kann. Ich gehe die Hauptstraße mit meinem Koffer entlang und sehe Hamburger und Immobilienbüros. Ich fühle mich so schrecklich enttäuscht, daß ich zu weinen anfange. Es ist jetzt dunkel, und ich stehe am Ende der Straße, wo die Wüste beginnt, und ich weine wie ein Narr. Welches Ich weint da? Es ist das neue kleine Ich, das dort hinten in Brooklyn zu keimen begonnen hatte und jetzt mitten in einer weiten Wüste steht und zum Untergang verdammt ist. Jetzt, Roy Hamilton, brauche ich dich! Brauche dich einen Augenblick, nur einen kleinen Augenblick, solange sich alles in mir auflöst. Ich brauche dich, weil ich nicht ganz bereit war, zu tun, was ich getan habe. Und hast du mir nicht gesagt, wenn ich mich recht erinnere, es sei unnötig, die Reise zu unternehmen, aber nötig, wenn ich es müsse? Warum hast du mich nicht überredet, nicht zu fahren? Ach, zu überreden war nie seine Art. Und um Rat zu bitten nie die meine. So bin ich da, bankrott in dieser Wüste, und die Brücke, die wirklich war, liegt hinter mir, und was unwirklich ist, liegt vor mir, Gott allein weiß das, denn ich bin so verloren und verwirrt, daß ich, wenn ich in die Erde sinken und verschwinden könnte, es täte.    - (wendek)
 

U:S:A:

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme