Abstellkammer  Irgendwann während der diesjährigen PISCES-Weihnachtsfeier wird Pointsman von Maudie Chilkes in eine Abstellkammer voller Belladonna, Gaze, Glastrichter und dem Geruch nach medizinischem Kautschuk entführt, wo sie sich wie der Blitz auf ihre roten Knie sinken läßt und anfängt, seine Hose aufzuknöpfeln, während er ihr völlig verwirrt, Herrgott im Himmel! über das Haar streicht und mit seiner ungeschickten Hand so manche Strähne unter dem weinroten Band herausrupft - was soll das werden! 'ne richtig scharfe scharlachrote knappbestrumpfte Sklavenmädchen-Supernummer hier mitten in den winterbleichen Klinikhallen, wo Rumbamusik aus dem fernen Grammophon mit Schlagbaß, Holzblock, ausgelaugten Noten tropischer Streicherkadenzen in das Schleifen der Füße auf den teppichlosen Böden klingt und das palladianische Gehäuse, die Muschel mit den tausend Zimmern, den Schall durch Wände und Gebälk in Vor- und Nachschlag synkopiert und bricht ... die dreiste Maud, wie soll er's glauben, schon nimmt sie, den Kopf zurückgeworfen wie ein Schwertschlucker, den rosigen Pawlowianerschwanz rhythmisch auf Lunge, läßt immer dann, wenn sie ihn freigibt, ein kleines damenhaftes Schmatzen hören und blumengleich den Duft von altem Scotch aufsteigen, greift ihm mit beiden Händen in den schlabbernden, wollenen Hosenboden und knetet und massiert - es geht alles so schnell, daß Pointsman nur noch schwanken kann, ein wenig besoffen blinzelt und nicht mehr weiß, ob er jetzt träumt oder endlich die ideale Kombination gefunden hat, was war's doch gleich, Amphetaminsulfat, 5 mg alle sechs Stunden, Natrium Amobarbital, 0,2 g zum Einschlafen vergangene Nacht, heute zum Frühstück Vitaminpillen assortiert, der Alkohol, geschätzt eine Unze stündlich für die vergangenen ... wie viele Kubikzentimeter macht das und oh, mein Gott, ich komme! Komme ich? Ja ... allerdings ... und Maud, die liebe Maudie, sie schluckt's, vergeudet keinen Tropfen ... und lächelt milde, als der Stöpsel endlich raus ist, bettet den schlafenden Spatzen zurück in sein kaltes Junggesellennest, aber verweilt noch kniend in der Kammer dieses Augenblicks, dieses zugigen, weißbeleuchteten Augenblicks, um irgendein Stück von Ernesto Lecuona zu hören, wahrscheinlich «Siboney», das nun durch Korridore zu ihr dringt, die endlos lang sind wie die Schiffahrtsstraßen zurück zu den grünen Küsten.   - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

Abstellkammer (2)  »Soli ich weitererzählen?« fragte sie.  »Ich kann's kaum abwarten.«

»Also, wie gesagt, wir gingen hinüber zum Abstellraum, und dort zog er uns beide aus. Wir standen einfach da wie die Idioten, ließen die Arme hängen und wagten nicht, einander anzusehen. Und er zog uns aus. Erst ein Kleidungsstück von Celia, dann eins von mir. Celia trug ihren ersten BH, aber ich war ihr um zwei Größen voraus, und ich weiß noch, daß ich ganz stolz daraufwar. Er ließ sich reichlich Zeit dafür, der Dave, dieser Teufelskerl. Ich weiß noch, daß die Sonne durchs Fenster schien und ich hinsah, weil ich zu nervös war, ihm auch nur ins Gesicht zu sehen. Dann standen wir da, splitternackt, Celia und ich, und zitterten wie vor Kälte. Natürlich war es die Aufregung, sie machte mir eine richtige Gänsehaut. Wir fühlten uns wohl beide ein bißchen hilflos, wie wir so dastanden und er uns ansah. Celia mußte lachen, sie konnte nicht anders, und ich kicherte mit. Aber er sagte, wir sollten aufhören zu lachen, und er war so ernst und streng, daß wir still waren. Wir hätten alles getan, was er von uns verlangte. Ich erinnere mich, daß ich gespannt war, was jetzt passieren würde, und ob ich vielleicht schwanger werden würde. Aber das war nur so eine Idee. Er hatte uns bis dahin nicht gestreichelt, unsere Haut nicht berührt, schon gar nicht intim, nur unsere Kleider ausgezogen, und dann zog er plötzlich seine Trainingshose aus - er trug immer einen Trainingsanzug, manchmal einen blauen, manchmal einen roten - und dann seinen Slip, und dann kam sein großes Dingsda zum Vorschein. Es schien uns damals riesengroß zu sein, und sogar heute noch, wo ich mich eigentlich an alles Gute gern erinnern sollte, sogar heute denke ich noch, es konnte einen einschüchtern.

Wir wußten immer noch nicht, was wir tun sollten. Celias Gesicht war knallrot, und meins fühlte sich brennendheiß an. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und streckte die Hand aus, um es anzufassen. Ich war wie von den Socken, kann ich dir sagen, aber sie tat's wirklich. Sie streichelte es am oberen Ende mit der Hand, und dann nahm sie es in die Finger und drückte es. Ich dachte mir: >Los, Ena, da kannst du nicht zurückstehen, und faßte seine Dinger an.«

»Dinger?« fragte Davies verwirrt.

»Mein Gott, du weißt doch. Was untendrunter ist. Die Hoden. Ist das eindeutig genug?«

»Ach so, ja. Sehr eindeutig.«

»Also, ich faßte zu. Ziemlich fest, weil ich mir nichts wegnehmen lassen wollte, und Herr im Himmel, er ging beinahe an die Decke! Ich wußte ja damals, unschuldig wie ich war, noch nicht, wie empfindlich Männer da unten sind. Der arme Dave. Er hätte am'liebsten gebrüllt, aber er mußte ja leise sein, damit uns keiner hörte. Du hättest sein Gesicht sehen sollen. Wie ein Horrorfilm ohne Ton, stell dir das bloß vor. Ich war echt erschrocken und schämte mich, besonders, weil Celia sich so geschickt anstellte. Aber nach einer Weile fühlte er sich besser, bis auf die Tränen, und er fing an, an uns herumzuspielen und wir an ihm, und schließlich verfrachtete er uns auf das Trampolin und nahm uns alle beide.«

»Trampolin?« fragte Davies durch den Nebel hindurch.

»Genau. Erst verbrachte er ein paar Minuten mit Celia und dann ein paar Minuten mit mir. Was das für Staub aufwirbelte auf dem alten Ding! Ich erinnere mich deutlich an den Staub in dem Sonnenstrahl, der durchs Fenster schien.« - Leslie Thomas, Dangerous Davies, der letzte Detektiv. Kökn  1991  (zuerst 1976)

Abstellkammer (3)  Ich war im ersten Stock eines Geschäfts für SM-Artikel am Boulevard de Clichy, wieder in einer Abstellkammer; eine Wange an Erics Schoß, £ric hält mich an den Schultern, während der Ladeninhaber mit harten Bewegungen mein Hinterteil an seinen Schwanz drückt. Bevor ich meine Stellung einnehme, sehe ich, dass der Mann sehr klein und stämmig ist, aber dann verschwindet er aus meinem Blick und löst sich auf. Ich wende mich nicht direkt an ihn, sondern an firic, und bitte ihn, ein Kondom überzuziehen, bevor er in mich eindringt. Die Suche stört ihn, er muss in Kartons wühlen, bis er das Ding schließlich findet; er sagt leise, dass er Angst hätte, seine Frau könne auftauchen. Er hat zwar ein großes Glied, das er in mein Loch drücken muss, doch er dringt nicht ganz ein. Ein Mädchen mit dem distanzierten, etwas mürrischen Gesichtsausdruck einer Angestellten schaut zu. Ab und an kreuzt mein Blick von der Seite ihren Blick, schwarz, wahrscheinlich mit Kajal umrandet. Ich komme mir vor wie auf einer Bühne, wo ich durch einen unsichtbaren Graben von einer trübsinnigen Zuschauerin getrennt bin, die wartet, dass endlich etwas Entscheidendes passiert. Wenn ich sie sehe, sehe ich in gewisser Weise auch mich und ich stelle mir mein Bild vor, aber nur den Kopf, der Hals ist zwischen die Schultern gezogen, die Wange an Erics Blouson gedrückt und leicht geriffelt vom Reißverschluss, der Mund weit offen, während das, was sich hinter meinem Rücken abspielt, zur Kulisse gehört. Die Stöße des Zwergs kommen mir so unwirklich vor wie die Geräusche, die hinter den Kulissen ertönen und eine ferne Handlung vortäuschen.   Catherine Millet, Das sexuelle Leben der Catherine M. München 2001    

 

Kammer

 

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